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Sri Lanka: Ein Land igelt sich ein

Auch nach dem Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka gibt es keine Aussöhnung – und tausende Flüchtlinge leben weiter in Lagern.

Berlin - Sie fühlen sich als Helden – und offenbar unangreifbar. Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapaksa und die Seinen haben der Welt im Mai gezeigt, wie man eine der brutalsten Terrorgruppen besiegt, die so genannten Befreiungstiger (LTTE). Mit einem blutigen Showdown, in dem Armee und LTTE keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in ihrer Mitte nahmen, endete der Bürgerkrieg auf der Insel nach gut einem Vierteljahrhundert. Niemand erwartete, dass damit dieser Konflikt schon gelöst sei. Vielmehr würde die Aussöhnung zwischen den Tamilen im Norden und der zumeist singhalesischen Mehrheit im Süden der Insel lange dauern. Doch statt einer zumindest behutsamen inneren Annäherung und Öffnung nach außen sehen Fachleute inzwischen mit Sorge, dass sich das Land mehr und mehr abschottet.

Zeugen sind offensichtlich nicht gern gesehen. Ausländische Journalisten erhalten oft kein Visum. Auch im Land gibt es keine wirklichen Debatten: „Entweder man ist Patriot und folgt der Regierung unverbrüchlich oder man ist LTTE-Unterstützer.“ Dazwischen gebe es nichts, sagt einer, der die Politik in Colombo seit langem begleitet. Folgt man nicht, muss man mit Repressalien rechnen. Genau deshalb möchte in Sri Lankas Hauptstadt derzeit niemand offen über die Lage zu reden. Deshalb haben die Menschen in dieser Geschichte keine Namen.

Viele in Colombo hoffen, dass die Welt sich jetzt nicht abwendet. Sie braucht im Zweifel das kleine Inselreich im Indischen Ozean und seine Produkte nicht. Das hat ein internationaler Spitzendiplomat im Frühjahr deutlich gemacht: „Wer braucht eigentlich wen“, fragte er provozierend. „ Wir brauchen Eure Kokosnüsse nicht. Wenn Sri Lanka von der ökonomischen Landkarte verschwindet, ist das nicht mal eine Meldung im Wirtschaftsteil unserer Zeitungen“, hielt er verdutzten Geschäftsleuten vor. Mehrere tausend srilankische Familien leben von der Verarbeitung der Kokosfasern für den Export. Die Textilwirtschaft exportiert kräftig in die EU – Handelsvergünstigungen, die unter der Bezeichnung GSP plus firmieren, machen es möglich. Diese haben die Europäer aber inzwischen in Frage gestellt. Ein EU-Menschenrechtsreport listete jüngst auf, dass noch immer Hunderttausende Menschen in Flüchtlingscamps leben, ihre Rechte missachtet würden, es werde auch gefoltert. Sollten die Zollvorteile fallen, werden für die Abnehmerländer im Westen Indien und China als Produzenten interessanter. In Brüssel reden sie von einem Wendepunkt: „Sri Lanka ist ein kleines Land mit einer Vielzahl von Problemen.“ Weil praktisch jede Anregung von außen als Unterstützung der LTTE gebrandmarkt werde, mache das einen Dialog praktisch unmöglich. Einheimische Kenner der Lage mahnen dagegen: „Sri Lankas Märkte sind im Westen, nicht im Osten.“ Das Land könne nicht so schnell neue Allianzen schmieden, zumal dort die eigene Konkurrenz sitzt, sagen internationale Experten. Immerhin war die EU 2008 der größte Exportmarkt Sri Lankas, dorthin gingen 36 Prozent der Ausfuhren. Sollte die EU die Handelsvergünstigungen abschaffen, könnte das Tausende Jobs kosten.

Der EU-Report prangert an, was auch viele im Land bemängeln: Nach Ende des Bürgerkrieges würden bis heute rund 300 000 Menschen in geschlossenen Lagern festgehalten. „Von einem Horizont zum anderen gibt es nur hellblaue UN-Zelte. Dazwischen sind all diese vielen Menschen - und dürfen nichts tun“, sagt einer, der dort gearbeitet hat. Menschenrechtler sagen, der Umgang mit den aus dem Kampfgebiet Vertriebenen sei „abolut nicht legal“. Sie seien dort eingeschlossen, weder internationales noch nationales Recht gestatte, was rund um die Stadt Vavunyia auf der Grenze zwischen Regierungs- und Sperrgebiet geschehe. Das Oberste Gericht des Landes aber verschleppe Beschwerden dagegen. Beobachter halten das Regierungsargument, vor der Rückkehr der Menschen müsse das vormals von der LTTE gehaltene Territorium, das so genannte Wanni, erst von Minen befreit werden, für vorgeschoben: „Die Menschen, die dort leben, wissen, wo die Minen liegen. In der letzten Phase des Krieges flohen sie von Westen nach Osten quer durch das ganze Land, aber es gab keine Berichte über Vorfälle mit Minen.“ Zudem werden alle 300 000 Vertriebenen auf ihre Zugehörigkeit zur LTTE überprüft, zwölf- bis 15 000 seien bisher als Verdächtige aussortiert worden, sagen Kenner der Lage. Niemand wisse, was mit diesen Menschen geschehe, keiner könne zu ihnen.

Die Ankündigung, dass nun rund 100 000 Menschen das Lager Manic Farm verlassen könnten, sehen Helfer skeptisch. Viele Männer würden anderswo arrestiert oder müssten sich täglich bei der Polizei melden. Und viele fragen sich: Werden die Menschen, die wieder ins Wanni dürfen, auf ihr angestammtes Land zurückkehren können? Mancher befürchtet, dass die Regierung Land im Ex-Kriegsgebiet für eigene Projekte beanspruchen werde. Die meisten Zivilisten hätten keine Grundstücksurkunden. Eine Befürchtung macht die Runde: Die Regierung werde im Osten wie im Norden der Insel – also dem ehemals von der LTTE kontrollierten Gebiet – ein Regime nach dem Vorbild von Gaza und Westbank errichten, freien Zugang werde es auch künftig nicht geben.

In den nächsten Monaten stehen Wahlen an. Viele fragen sich: Werden sie den politischen Satus quo einfrieren und so dem nach seinem militärischen Sieg übermächtigen Präsidenten und seinem Clan freie Hand verschaffen, weil die Mehrheit der Sri Lanker endlich Ruhe haben will? Allerdings wird nach Ansicht von Kritikern zunehmend über die unverhältnismäßige Brutalität der Sicherheitskräfte diskutiert. Die Rede ist von „systematischer Folter“, Jugendliche würden in Polizeigewahrsam geprügelt. Das wollten mehr und mehr Menschen nicht weiter hinnehmen. „Wenn die Menschen keine Friedensdividende bekommen, wird es Fragen geben,“ sagt ein politischer Analyst. Gleichzeitig hofft er, dass die internationale Gemeinschaft weiter Druck auf Colombo ausübt – und die EU bei den Handelsgesprächen nicht zu zurückhaltend agiert. „Das Regime hält Freundlichkeit für Schwäche.“

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