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Staatliches Religionsamt: Türkischer Islamwächter tritt zurück

Nach sieben Jahren im Amt ist der Chef des staatlichen Religionsamtes in der Türkei, Ali Bardakoglu, zurückgetreten. Er gehe auf eigenen Wunsch, sagte Bardakoglu am Donnerstag vor Journalisten. Doch es wird Streit mit der Erdogan-Regierung vermutet.

Istanbul - Der Chef des staatlichen Religionsamtes in der Türkei ist mehr als ein Behördenleiter, denn er arbeitet gewissermaßen an der Front des derzeitigen globalen Hauptkonflikts: Er soll eine demokratieverträgliche Version des Islam garantieren. Durch die Ausbildung von Imamen für türkische Moscheen in Deutschland spielt er auch eine wichtige Rolle in der Integrationsfrage. Nun ist der bisherige Amtschef, der Reformer Ali Bardakoglu, von seinem Posten zurückgetreten, angeblich nicht ganz freiwillig. Der Reformkurs dürfte dennoch weitergehen. Bardakoglus Nachfolger und bisheriger Stellvertreter Mehmet Görmez arbeitet seit Jahren an einem der ehrgeizigsten Reformprojekte im Islam überhaupt.

Bardakoglu hatte sich seit seinem Amtsantritt 2003 den Ruf eines Mannes erarbeitet, der den Islam ins 21. Jahrhundert bringen will. Als Verwaltungschef aller 80 000 Moscheen im Land und Dienstherr aller türkischen Imame verurteilte er Zwangsehen und „Ehrenmorde“ als unislamisch. Aus der Tagespolitik hielt sich Bardakoglu heraus, geriet aber trotzdem hin und wieder mit der religiös-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan aneinander. So begegnete er Erdogans Reformen in der Kurdenpolitik – die unter anderem Predigten in kurdischer Sprache vorsehen – mit Skepsis. Auch lehnte er es kürzlich ab, in der Debatte über das Kopftuch den Schiedsrichter zu spielen.

Bardakoglus 51-jähriger Nachfolger Görmez betonte, er fühle sich nicht nur für die Muslime in der Türkei zuständig, sondern auch für die muslimischen Minderheiten im Ausland und die „Muslime in der ganzen Welt“. Ein globales Amtsverständnis hatte Görmez bereits als Stellvertreter im Religionsamt an den Tag gelegt. Gemeinsam mit anderen Islamwissenschaftlern arbeitet er seit Jahren an einer Neuinterpretation islamischer Vorschriften für die moderne Welt. Die so genannten Hadithen, die überlieferten Aussagen, Taten und Anweisungen des Propheten Mohammed, werden durchforstet. Frauenfeindliche oder rassistische Passagen sollen getilgt werden.

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