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Bekommt Gegenwind aus Juristenkreisen: Justizminister Heiko Maas.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Staatsanwälte und der Fall Netzpolitik.org: Warum das Weisungsrecht des Justizministers bleiben sollte

Nach dem Rauswurf des Generalbundesanwalts steht das Weisungsrecht des Justizministers in der Kritik. Doch es erfüllt eine wichtige Funktion. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Demokratische Rechtsstaaten leben von guten Gesetzen. Und sie leben von ihrer politischen Kultur. Wie eng beides zusammenhängt, machen die „Landesverratsaffäre“ und der Streit um das Weisungsrecht des Justizministers gegenüber dem Generalbundesanwalt deutlich.

Der am Dienstag in den Ruhestand versetzte Generalbundesanwalt Harald Range hat Bundesjustizminister Heiko Maas vorgeworfen, sein Weisungsrecht genutzt zu haben, um politischen Einfluss auf die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen Journalisten zu nehmen. Maas erklärte, eine Weisung habe es nie gegeben. Wohl aber hat das Ministerium darauf hingewirkt, ein Gutachten zu ersetzen.

Aus Kreisen der Justiz wird der Minister deshalb scharf angegriffen. Der Deutsche Richterbund nutzte die Gelegenheit, um eine alte Forderung zu erneuern: Das Weisungsrecht der Justizminister gegenüber den Staatsanwälten des Bundes und der Länder gehöre abgeschafft. Viele Rechtspolitiker schlossen sich an.

Nach dem Rauswurf von Generalbundesanwalt Harald Range steht Heiko Maas in der Kritik

In Deutschland ist die Staatsanwaltschaft Teil der Exekutive. Sie ist zwar gehalten, in Ermittlungsverfahren sowohl be- als auch entlastendes Material zu sammeln, arbeitet aber eng mit der Polizei zusammen. Die Weisungsbefugnis der Minister kann deshalb auch als Kontrollfunktion gesehen werden. Um einen zu engen Schulterschluss zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei – oder, wie jetzt, zwischen Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz – zu unterbinden.

Gegen das Weisungsrecht spricht aus Sicht des Richterbunds, dass die Staatsanwaltschaften in der öffentlichen Wahrnehmung als Teil der Justiz gesehen werden und bei tatsächlichen Eingriffen der Anschein politischer Einflussnahme entsteht.

Beides sind gute Argumente. Die Frage ist also, was lässt sich leichter auch ohne Weisungsrecht sicherstellen: der Schutz vor einer zu engen Verbrüderung verschiedener Institutionen der Exekutive – oder der Schutz vor politischem Missbrauch des Weisungsrechts.

Das Weisungsrecht des Justizministers hat auch eine Kontrollfunktion

An dieser Stelle kommt die politische Kultur ins Spiel. Sie speist sich nicht nur aus einem Gesetz, sondern aus der Logik aller Gesetze und Regeln, aus dem tieferen Sinn der Verfassung. Sie ist damit „weicher“ als das Gesetz, dehnbarer. Aber ihre Verhandelbarkeit ist auch ihre Stärke. Sie lebt von der öffentlichen Auseinandersetzung über die Auslegung des Rechts – und von der öffentlichen Bewertung derer, die es anwenden.

Die letzten Tage haben gezeigt, dass die politische Kultur in Deutschland mehr als lebendig ist. Schnell fand sich ein breiter Konsens, dass der bloße buchstäbliche Landesverratsparagraph im Sinne der politischen Kultur des Landes gegen höhere Rechtsgüter, namentlich gegen die Pressefreiheit, abgewogen gehört. In der Affäre um Range wurde selbst Maas’ milder politischer Eingriff, die Ersetzung eines Gutachters, öffentlich hart verurteilt. Rein rechtlich ist beides wohl nicht zu beanstanden. Doch beides verstößt gegen die politische Tradition. Die Kommentatoren fanden Gehör. Deutschland hat das Herz am Fleck des Rechts.

Gerade deshalb spricht also viel dafür, das Weisungsrecht zu erhalten. Ein Minister muss sich für jede Weisung gegenüber Parlament und Öffentlichkeit verantworten. Auch bisher wurde daher kaum Gebrauch davon gemacht. Die Sicherheitsbehörden hingegen sind weniger abhängig von der öffentlichen Meinung – und damit auch sozusagen schon von Natur aus abgekoppelt von der politischen Kultur.

Für die jeweiligen Minister mag es misslich sein, auf diesem schmalen Grad balancieren zu müssen. Besser ist es trotzdem.

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