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Unter Verdacht: Generalstaatsanwalt Frank Lüttig

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Staatsanwalt Frank Lüttig: Ankläger von Christian Wulff und Sebastian Edathy unter Verdacht

Wenn aus Ermittlungen gegen Politiker Kampagnen werden, verliert der Rechtsstaat das Vertrauen der Bürger. Warum der Fall des Celler Generalstaatsanwalts Frank Lüttig weiter reicht als bis zu Wulff und Edathy. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Es gehört zur festen Dramaturgie prominenter Strafverfahren, die Ermittler der Durchstecherei von Informationen an die Presse zu beschuldigen. Edathy, Wulff, Kachelmann, es war und ist immer das Gleiche. Oft gibt es Lecks in den Behörden, das stimmt. Aber Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wären von allen guten Geistern verlassen, wenn sie selbst es regelmäßig wären, die dadurch ihre Karrieren riskieren würden, mehr noch – das Vertrauen in ihre Objektivität. Wofür auch? Es winken weder Geld noch Anerkennung oder nur Aufmerksamkeit.

Insofern tut sich ein Abgrund auf, wenn Niedersachsens Justizministerin nun vor den Landtag tritt und erklärt, nach umfangreichen(!) Vorermittlungen werde dem Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Celle, Frank Lüttig, Geheimnisverrat in acht Fällen vorgeworfen. Sieben im Verfahren gegen den zurückgetretenen Bundespräsidenten, einen bei Edathy, dessen Hauptverhandlung am Montag beginnt. Ein Anfangsverdacht nur, doch immerhin konkret genug, dass er an die Öffentlichkeit muss.

Weil die Behörde und ihr Leiter in Celle der Staatsanwaltschaft in Hannover vorgesetzt sind, war Lüttig eine zentrale Figur hinter der Anklage gegen Wulff und ist es jetzt auch gegen Edathy. Lüttig war als Nachfolger des zum Generalbundesanwalt ernannten Harald Range 2012 auf dessen Stelle gerückt, ein Wechsel unter der Regie des damaligen Justizministers Bernd Busemann, der in gemeinsamen CDU-Kreisen schon immer als Wulff-Intimfeind galt. Wie bekannt, endete der Korruptionsprozess mit einem Freispruch, obwohl Lüttig in Interviews zuvor auffallend selbstbewusst „eine lückenlose und sehr plausible Kette von Beweisen“ erkannt haben will.

Christian Wulff trat wegen des Verfahrens der Staatsanwaltschaft Hannover zurück

Ermittlungen als Kampagne? Es ist daran zu erinnern, dass Wulff nicht etwa auf Druck von Journalisten zurücktrat – auch wenn die es gerne so erzählen –, sondern allein deshalb, weil die Staatsanwaltschaft Hannover ein Verfahren gegen ihn eingeleitet hatte. Sonst hätte Wulff seinen Skandal vermutlich aussitzen können, wäre jedenfalls länger im Amt geblieben. Doch der amtliche Straftatverdacht ist das schwerste Geschütz im politischen Meinungskampf. Aus Charakterschwäche wird eine Rechtsverletzung, aus Fehltritten eine Staatsaffäre. Lüttig beteuerte stets, wie penibel der Fall geprüft, wie sorgfältig abgewogen worden sei. Mit dem Verdacht gegen ihn steht diese Einlassung ebenso auf dem Prüfstand wie sein Wort, nie etwas aus dem Verfahren durchgesteckt zu haben. Auch Edathy, der sich, darin Wulff nicht unähnlich, fortgesetzt als Opfer einer bösen Justiz präsentiert, wird sich in seiner Pose bestätigt fühlen.

Nicht nur Bürger, auch Politiker müssen der Justiz vertrauen können. Schlimm genug, wenn Bundesminister Ermittlungsgeheimnisse ausplaudern, wie Hans-Peter Friedrich bei Edathy – aber ethisch noch irgendwie zu rechtfertigen. Zu einem Generalstaatsanwalt, der aus Akten plaudert, fällt einem nichts mehr ein. Für Lüttig gilt die Unschuldsvermutung. Aber er ist kein normaler Verdächtiger, so wenig wie Wulff, so wenig wie Edathy.

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