zum Hauptinhalt

Staatsfinanzen: Bundestag beschließt Schuldenbremse

Das Parlament hat für eine Änderung des Grundgesetzes gestimmt. In Zukunft soll das Schuldenmachen in den Haushalten von Bund und Ländern begrenzt werden.

Die Arbeitnehmervertreter versuchten ein letztes Mal, die geplanten Grenzen für die Aufnahme neuer Kredite durch den Staat zu verhindern: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verlangte von den Sozialdemokraten, der geplanten Schuldenbremse im Bundestag die Zustimmung zu verweigern. Die beabsichtigte Grundgesetzänderung "ist eine Wachstums- und Beschäftigungsbremse", beklagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki in der Saarbrücker Zeitung, und ein "gewaltiger Hemmschuh für die Schaffung von Arbeitsplätzen und daraus resultierende Steuereinnahmen".

Doch die in mühseliger Feinarbeit ausgehandelte Änderung am Grundgesetz kam im Bundestag durch. Mit Zwei-Drittel-Mehrheit der Koalitionsfraktionen beschloss das Parlament eine strikte Schuldenbegrenzung in den Haushalten von Bund und Ländern. Dafür votierten 418 Abgeordnete. Für die Verfassungsänderung nötig waren 408 Stimmen. 109 Parlamentarier lehnten den Entwurf ab, 48 enthielten sich. Grüne und Linke stimmten dagegen. Die Enthaltungen kamen von der FDP.

Die nach jahrelangen Verhandlungen in der genannten Föderalismuskommission von Bund und Ländern erzielten strengeren Vorgaben sollen die grassierende Staatsverschuldung stoppen, die exorbitante Höhe erreicht, seit Bund und Länder mehrere Stützungsprogramme für die Konjunktur verabschiedeten.

Die FDP enthielt sich, um für die anstehende Abstimmung im Bundesrat entscheidungsfrei zu sein. Aus der SPD hatte es zuletzt Widerstand gegeben. Die Kritiker fürchten, dass neue Schuldenregeln die Handlungsmöglichkeiten der Politik zu sehr einschränken. Die neue Bremse verbietet den Ländern ab 2020 die Aufnahme neuer Kredite. Dem Bund wird ein Spielraum von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zugestanden, was derzeit etwa neun Milliarden Euro im Jahr entspricht. Für die Länder gilt eine Null.

Die SPD-Spitze hatte am Montag eine Forderung Brandenburgs unterstützt, den Ländern 0,15 Prozent des BIP zuzugestehen, und hatte damit in der Union Kritik ausgelöst. Ministerpräsident Matthias Platzeck forderte offen mehr Flexibilität für die Länder, was insofern unverständlich blieb, da Bund und Länder bei Katastrophen und anderen Notsituationen die Schuldengrenzen ohnehin außer Kraft setzen können. Hinter seinem Vorstoß könnte auch die Furcht gestanden haben, dass einzelne Länder durch den ebenfalls beabsichtigten Finanzausgleich zu stark belastet würden: Reiche Länder sollen die Defizitregionen Bremen, Saarland, Berlin, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt bis 2019 mit jährlich 800 Millionen Euro unterstützen.

Der Bundesrat soll dann im Juni abstimmen. Ein dort drohendes Aus für die Schuldenbremse scheint unterdessen abgewendet, die Finanzminister der Länder lehnten am Donnerstag einmütig Änderungen ab, wie Nordrhein-Westfalens Finanzminister Helmut Linssen (CDU) nach einem Treffen sagte. Von einem "16:0-Ergebnis", sprach Saar-Finanzminister Peter Jacoby (CDU).

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) wies die SPD-Kritik an dem Vorhaben am Freitag noch einmal zurück. Die Argumente seien sorgfältig abgewogen, sagte Oettinger der Financial Times Deutschland. "Ich sehe keinen Grund, diese Frage jetzt neu zu bewerten."

Er kritisierte insbesondere jene Länder, die sich durch das Verbot der Neuverschuldung ab 2020 in ihrer Handlungsfähigkeit bedroht sehen. "Wer sich durch die Schuldenbremse bedroht sieht, bedroht seine Kinder doppelt." Bis zum Inkrafttreten des Schuldenstopps in zehn Jahren sei für alle Zeit genug, sich "an die logische Gleichung zu gewöhnen, dass sich Einnahmen und Ausgaben entsprechen".

Platzeck war seine Initiative im Verlauf dieser Woche dann auch eher peinlich. Nachdem sein Stab das Anliegen in einer dürren Pressemitteilung erläuterte, war er nicht mehr zu sprechen. Man wolle es dabei belassen und sich nicht weiter dazu äußern, sagte ein Sprecher der Landesregierung.

Bei einer Probeabstimmung am Dienstag sollen etwa 20 der 222 SPD-Fraktionsmitglieder die Hand bei "Nein" gehoben haben. Die verfassungsändernde Mehrheit im Bundestag liegt bei 408 Abgeordneten. Da Union und SPD zusammen 445 Abgeordnete stellen, könnten sie sich bis zu 37 Abweichler in den eigenen Reihen leisten. Es sind überwiegend SPD-Linke, die die Schuldenbremse für einen Fehler halten. Weil die Parteispitze Platzeck unterstützte, die Gesetzesänderung den Bundestag jedoch weitgehend reibungslos passieren wird, muss die SPD nun damit leben, in der Schuldenfrage ein uneinheitliches Bild abzugeben.

Der Grundgesetzänderung muss auch der Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen. Die Länderkammer könnte aber auch den Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag anrufen, um dort zu Veränderungen zu kommen. Dies ist offenbar das Kalkül in der SPD-Fraktion.

Doch auch die FDP, die in fünf großen Bundesländern mitregiert, ist zu einem Vermittlungsverfahren nicht bereit. Ob es damit genügend Länder gibt, die die Zweidrittelmehrheit in der Länderkammer brechen wollen, ist fraglich. Bekannt ist, dass Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin nicht zustimmen wollen, das entspricht elf Bundesratsstimmen. Mit Brandenburg wären es 15, nötig sind aber 24 der 69 Stimmen. Alle Länder mit SPD-Regierungsbeteiligung kommen auf 30 Stimmen. Rheinland-Pfalz will Platzecks Vorschlag jedoch nicht folgen. (tst/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false