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Staatskrise: Ukrainischer Machtkampf eskaliert

Der ukrainische Präsident Juschtschenko hat per Dekret die Kontrolle über die Sicherheitskräfte des Innenministeriums übernommen. Ministerpräsident Janukowitsch wies dies als verfassungswidrig zurück.

Kiew - Die Zuständigkeiten für die Truppen seien auf den Staatschef übergegangen, teilte das Präsidentenbüro in Kiew mit. Viktor Janukowitsch und das Innenministerium wiesen den Beschluss als unrechtmäßig zurück. Russland äußerte sich besorgt über die zunehmenden Spannungen.

In dem im Internet veröffentlichten Dekret erklärte Viktor Juschtschenko, er wolle den Missbrauch der Truppen "im Interesse bestimmter politischer Kräfte" unterbinden. Janukowitsch sagte dazu in einem im ukrainischen Fernsehen übertragenen Gespräch mit westlichen Diplomaten, die Entscheidung verstoße gegen die Verfassung und sei eine Einmischung in die Aufgaben der Exekutive. Nach Ansicht des Innenministeriums verstößt das Dekret zudem gegen ein Gesetz über die Sicherheitskräfte im Innern. Nach einer aus Sowjetzeiten übernommenen Regelung unterstehen dem Innenministerium der Ukraine zusätzlich zur regulären Polizei militärähnliche Einheiten zum Schutz der inneren Sicherheit des Landes.

Machtkampf mit allen Mitteln

Juschtschenkos Schritt steht im Zusammenhang mit der Entlassung des zum Lager Janukowitschs gehörenden Generalstaatsanwalts Swjatoslaw Piskun am Donnerstag. Der Präsident hatte seine Entscheidung damit begründet, dass Piskun zusätzlich zu seinem Justizamt ein Parlamentsmandat halte. Dies verstoße gegen die Verfassung. Nach der Entscheidung des Präsidenten ließ Innenminister Wasili Zuschko seine Sicherheitskräfte vor der Staatsanwaltschaft, wo sie mit dem Präsidenten unterstellten Truppen aneinander gerieten. Zuschko bezeichnete die Entlassung Piskuns als "Staatsstreich". Juschtschenko warnte seinerseits vor einem Umsturzversuch seiner Gegner.

Wegen des Truppeneinsatzes eröffnete der an Piskuns Stelle eingesetzte Staatsanwalt der Krim-Region, Viktor Schemtschuk, am Freitag ein Strafverfahren gegen den Innenminister wegen Amtsmissbrauchs. Der russische Ministerpräsident Michail Fradkow äußerte sich in Moskau besorgt über eine "mögliche Eskalation der Spannungen" in der ukrainischen Gesellschaft.

Demonstrationen beider Seiten

In Kiew gab es nach dem Beschluss des Präsidenten wieder Demonstrationen von Anhängern der rivalisierenden Lager. Zwischen 2000 und 3000 Anhänger des pro-russischen Ministerpräsidenten demonstrierten laut einem Fotografen der Nachrichtenagentur AFP vor der Staatsanwaltschaft gegen den Präsidentenbeschluss. Am gleichen Ort bekundeten mehrere hundert Menschen dem pro-westlichen Juschtschenko öffentlich ihre Unterstützung.

Zwischen Juschtschenko und Janukowitsch tobt seit Monaten ein heftiger Machtkampf. Ausgelöst wurde die Krise durch ein umstrittenes Dekret des Präsidenten, mit dem er das Parlament auflöste und Neuwahlen ausschrieb. Anfang Mai hatten sich die Rivalen nach wochenlangen Demonstrationen ihrer Anhänger auf vorgezogene Parlamentswahlen verständigt. (tso/AFP)

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