zum Hauptinhalt

Staatsstreich: Die Rückkehr der Putschisten

Der Staatsstreich in Honduras ist bereits der vierte Militärputsch in diesem Jahr. Die Machtergreifung durch Soldaten erlebt im 21. Jahrhundert eine Renaissance.

Die Landebahn war mit Lastwagen versperrt, das Flugzeug mit Honduras' gewähltem Präsidenten Manuel Zelaya an Bord konnte nicht in Tegucigalpa landen. Der Präsident, in Personalunion Oberbefehlshaber über die Truppen, befahl den Soldaten, die Landebahn zu räumen. Doch am Boden tat sich nichts, stattdessen stiegen Hubschrauber und Kampfflugzeuge auf und vertrieben die Maschine mit dem linken Politiker.

Das Militär hatte Zelaya in der vergangenen Woche zwangsweise ins Exil geschickt. Vermummte Soldaten waren nachts in den Präsidentenpalast eingedrungen, hatten den überrumpelten Präsidenten im Schlafanzug abgeführt und zum Flughafen gebracht.

Umsturz, Putsch, Staatsstreich – es gibt viele Wörter für so eine illegitime Machtübernahme durch Militärs. Doch diese Begriffe klingen so undemokratisch und so anrüchig, dass Putschisten stets von einer Rettung der Demokratie durch die Armee sprechen. So war es diesmal in Honduras und so war es 2008 in Guinea und in Mauretanien.

In diesem Jahr putschten sich Militärs im März in Guinea-Bissau und auf Madagaskar, im April auf den Fidschi-Inseln und nun in Honduras an die Macht und installierten ihre Marionetten als angeblich demokratische Regierung. In Georgien und der Türkei sollen Offiziere zudem jeweils einen Staatsstreich vorbereitet haben.

Die zahlreichen gelungenen und versuchten Machtergreifungen der Militärs in den vergangenen Jahren zeigen einen Trend: Die Putschisten kehren zurück.

Für Militärs scheint die bewaffnete Machtübernahme im 21. Jahrhundert nun erneut kein Tabu mehr zu sein. Die meuternden Soldaten setzen Schusswaffen ein, bei den Putschen starben wie in Honduras Zivilisten oder wie in Guinea-Bissau einflussreiche Politikern. Anfang März erschossen in Guinea-Bissau Soldaten den Präsidenten.

Auch in größeren Ländern fürchten die Regierenden die einflussreichen Offiziere. In der Türkei erließ Premier Tayyip Erdogan jüngst ein Gesetz, das den Einfluss des Militärs auf den Staat verkleinert und „Putsche und Möchtegernputschisten“ verhindern soll. In Pakistan ist die Regierung von der Armee abhängig. Der Generalstabschef betont regelmäßig, dass die Armee sich nicht in die Politik einmischen werde – zumindest solange dies nicht notwendig sei. Gegen den Willen der Streitkräfte kann kein Präsident in dem Land regieren. In Pakistan hatte erst im vergangenen Jahr die Ära von Pervez Musharraf geendet. Der ehemalige Generalstabschef der Armee hatte sich 1998 an die Macht geputscht. In seiner Amtszeit gewannen die Islamisten an Macht in Pakistan und die Taliban begannen einen Bürgerkrieg gegen die Zentralregierung.

Dass das Militär selten für Stabilität sorgt, wenn es die Macht übernimmt, ist auch in Thailand zu beobachten. 2006 marschierten dort Soldaten auf, vertrieben den Premierminister und destabilisierten so das Land bis heute. Immer wieder drohten dort die alten Eliten mit einem erneuten Putsch der ihnen nahe stehenden Armee, wenn Demonstranten Straßen blockierten und forderten, dass der gewählte und vertriebene Premier Taksin zurückkehren soll.

Ganz verschwunden waren die Putschisten nie, doch hatte es eine Phase von der Mitte der achtziger bis zum Ende der neunziger Jahre gegeben, in der die Zahl der erfolgreichen Putsche deutlich zurückgegangen war. Die internationale Gemeinschaft ächtete die Machtübernahmen durch Militärs, Entwicklungshilfen wurden nach Staatsstreichen gekürzt und Waffenlieferungen eingestellt. Mit dem Ende des Kalten Krieges entfielen auch die Stellvertreterkriege zwischen den Blockmächten, und die Begeisterung für Diktatoren in der Dritten Welt ging zurück. Während des Kalten Krieges hatten Agenten der CIA oder des KGB bei manchem Staatsstreich ihre Finger im Spiel.

Heute lehnt die Staatengemeinschaft jeden Coup d’Etat ab. Und Diktatoren, die sich mit Waffengewalt ihre Herrschaft eroberten, droht die Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Und doch scheint der Putsch als Mittel der Politik wieder in Mode zu kommen.

Vor allem in kleineren und armen Staaten scheinen nun die Militärs keine Skrupel mehr zu kennen, die Macht an sich zu reißen, wenn sie ihre Interessen in Gefahr sehen und neue Eliten die alten Machthaber entthronen wollen wie in Honduras. Denn den Putschisten ging und geht es nur sehr selten um die Rettung ihrer Heimat, sondern meist um die Verbesserung ihres Bankkontos oder um Macht. Die versprochenen Neuwahlen haben die wenigsten Umstürzler stattfinden lassen: In Afrika sind einige Putschisten aus den Siebzigern und Achtzigern bis heute an der Macht.

ZEIT ONLINE

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false