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Politik: Stabil im Schatten

Linke sieht Beleg für Stammwählermilieu West

Von Matthias Meisner

Berlin - Als „Held des Abends“ kommt er etwas später, erst nach der ersten Hochrechnung. Dann aber erscheint auch der Ex-Vorsitzende Oskar Lafontaine zur Wahlparty im Berliner Karl- Liebknecht-Haus, der Parteizentrale der Linken. Der amtierende Vorsitzende Klaus Ernst hat das mit ihm ziemlich kurzfristig vereinbart, nicht einmal alle Spitzengenossen sind über den Auftritt am Sonntagabend vor den Anhängern eingeweiht worden.

Lafontaine, formal nur noch Fraktionschef im Saarland, lächelt hinüber zur Vorsitzenden Gesine Lötzsch, die mit ihrem Aufsatz über „Wege zum Kommunismus“ den Jahresauftakt verpatzt hat: Vor der Wahl sei die Linke in der Öffentlichkeit „ordentlich runtergemacht“ worden, sagt Lafontaine. „Umso mehr freuen wir uns, dass wir allen mal wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.“ Der Ex- Chef fügt noch sein Rezept für Wahlerfolge hinzu: „Wenn alle mal drei Wochen den Mund halten, schon haben wir 0,5 Prozent mehr.“ Nach dem vorläufigen Ergebnis ist die Linke bei 6,4 Prozent gelandet, exakt auf dem Wert von 2008.

Der Überraschungsauftritt Lafontaines spielt noch einmal am Montag eine Rolle, als der Parteivorstand die Wahlergebnisse auswertet. Der Wahlerfolg in Hamburg gehe sicher auch auf Lafontaine zurück, sagt Ernst. Und hofft, dass der Ex-Chef auch weiterhin in den Wahlkämpfen zur Verfügung stehe. Den Appell zum „Mundhalten“ interpretiert Ernst als Rüffel an jene, die sich zuletzt „mehr mit Personalfragen als mit Inhalten beschäftigt“ hätten.

Der Leiter der Strategieabteilung in der Parteizentrale, Horst Kahrs, analysiert gemeinsam mit dem Linken-Reformer Benjamin-Immanuel Hoff, dass der Wiedereinzug die Stabilität der Linken in den westdeutschen Ländern bestätige. Selbst unter den Vorzeichen eines scheinbar sicheren Wahlsieges von SPD und Grünen lasse sich mobilisieren, sogar ein Stammwählermilieu herausbilden. Linken-Landeschef Herbert Schulz sagt, seine Partei habe sich „im Schatten“ einer überwältigenden Wechselstimmung behaupten können: „Mit uns wird man noch lange rechnen müssen.“ Spitzenkandidatin Dora Heyenn versichert, die Kommunismusdebatte habe im Hamburger Wahlkampf „keine Rolle gespielt“.

Klar war das nicht immer, Spitzenpolitiker hatten vor Hamburg das „Schreckensszenario“ von Wahlniederlagen in Serie befürchtet – und womöglich den Sturz der Parteispitze. Nun nimmt sich Lötzsch für die nächste Wahl in Sachsen-Anhalt sogar eine „historische Leistung“ vor – die Wahl des ersten linken Ministerpräsidenten in Deutschland überhaupt. Das Ausbleiben der „Katastrophe“ kommentiert auch Fraktionschef Gregor Gysi: „Jetzt kann ich meinen Plan B für den schlimmsten Fall wegschmeißen.“ Matthias Meisner

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