zum Hauptinhalt

Politik: Stadt unter Schock

Deutsche hetzen Inder durch das sächsische Mügeln und grölen Naziparolen / Acht Ausländer verletzt

Am Wochenende feierte die beschauliche sächsische Kleinstadt Mügeln zum elften Mal ihr Altstadtfest. Im Festzelt auf dem Markt wurde getanzt und getrunken. Doch dann kippte die Stimmung. Dutzende Deutsche attackierten acht Inder, die mitfeiern wollten. Es war Sonntag früh gegen ein Uhr. Nach Polizeiangaben flogen Flaschen und Bänke. Glas splitterte. Die Ausschreitungen gipfelten in einer regelrechten Hetzjagd. Denn als die attackierten Inder flüchteten, wurden sie nach bisherigen Erkenntnissen von bis zu 50 Deutschen verfolgt. Indische Medien berichteten ausführlich über den Vorfall.

Die Ausländer suchten Schutz in dem Lokal eines Landsmannes in der Ortsmitte. Doch auch hier waren sie zunächst nicht sicher. Einige der Verfolger schlugen eine Scheibe ein, andere machten sich an den Türen zu schaffen. Bei den Auseinandersetzungen wurden alle acht Inder verletzt, einer von ihnen schwer. Auch vier mutmaßliche Täter und zwei Polizisten erlitten Verletzungen.

Zeugen hatten bei der Polizei berichtet, dass die Deutschen bei den Ausschreitungen und der anschließenden Jagd ausländerfeindliche Parolen gegrölt haben sollen. „Ausländer raus“, sollen sie skandiert haben und: „Hier regiert der nationale Widerstand.“ Zahlreiche Schaulustige sollen den Überfall beobachtet haben.

War es ein geplanter Überfall oder eine spontane Verabredung Ewiggestriger zur Ausländerhatz? Zu den genauen Hintergründen konnte die Polizei auch am Tag nach den schweren Ausschreitungen noch nicht viel sagen. Es werde wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung ermittelt, hieß es lediglich. Zumindest zwei mutmaßliche Schläger sind der Polizei bereits bekannt. Sie waren vorläufig festgenommen worden, befinden sich aber wieder auf freiem Fuß.

Die Polizei räumte ein, dass sie zunächst mit den wenigen Beamten vor Ort nicht allzu viel ausrichten konnte. Erst nach dem Eintreffen von Verstärkung habe man die Deutschen abdrängen können. Insgesamt waren 70 Beamte im Einsatz. Die Polizeidirektion Westsachsen hatte erst mehr als 20 Stunden nach dem Vorfall offiziell über die Ereignisse berichtet. Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse erklärte zudem, die Beamten im Vorfeld auf mögliche Probleme hingewiesen zu haben. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), der am Montag nach Mügeln fuhr, nahm die Polizei in Schutz. Sie habe zügig reagiert, sagte er. Die Tat verurteilte er scharf. So ein Gewaltexzess sei nicht hinnehmbar. Die Hintergründe müssten schnell aufgeklärt werden. Noch sei nicht geklärt, ob es fremdenfeindliche Motive gab.

Dass die Täter aus dem Ort selbst kommen, hält der Bürgermeister für ausgeschlossen. „Mügeln mit seinen 5000 Einwohnern hat sich einen guten Ruf aufgebaut“, sagte er in Interviews. Kerstin Köditz von der Linksfraktion im Dresdner Landtag hält diese Einschätzung für zumindest blauäugig. In der Vergangenheit habe es in dem Ort einschlägige Nazikonzerte gegeben, ein rechtslastiger Musikversand habe dort seinen Sitz. Die Abgeordnete sprach von einer neuen Qualität, da die Jagd nur durch ein massives Polizeiaufgebot habe gestoppt werden können. Ein Sprecher der Antirassismusinitiative Netzwerk Döbeln sagte dem Tagesspiegel: „Die Opfer sind total geschockt.“ Nach seinen Erkenntnissen waren die Angreifer Neonazis. Überfälle auf Ausländer hätten sich in diesem Sommer bei Volksfesten in der Region massiv gehäuft.

Lars Rischke[Dresden]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false