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Der Schauspieler Leonardo Di Caprio (mitte) war im September 2014 mitten drin - im Marsch für Klimaschutz in New York.

© Eduardo Munoz/REUTERS

Standpunkt: Nicht nur Regierungen können verändern

Die Macht des amerikanischen Präsidenten ist nicht so groß, dass er den Weltenlauf ändern kann, argumentiert der Chef des WWF in Deutschland in seinem Standpunkt.

Man kommt derzeit mehr schlecht als recht um ihn herum – obwohl viele sich wahrscheinlich nichts sehnlicher wünschen. Kaum ein Tag vergeht, an dem der neue US-Präsident nicht mit einer seiner Entscheidungen Aufsehen erregt. Eine der besonders schwerwiegenden darunter war sein öffentlichkeitswirksam inszenierter Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen.

Doch es wäre falsch, sich davon blenden zu lassen. Als Präsident der Vereinigten Staaten hat Donald Trump natürlich Macht darüber, in welche Richtung sein Land steuert. Aber es ist keine uneingeschränkte Macht. Trump kann mit seiner Administration vom Kurs des Klimaschutzes abweichen, aber das Steuer weder global noch im eigenen Land komplett herumreißen.

Auf sub-nationaler Ebene machen etwa Bundesstaaten, Städte und Kommunen ihren Einfluss geltend. Nach Trumps Austrittserklärung ließen ihre Reaktionen nicht lange auf sich warten: Die Bürgermeister von Pittsburgh und Paris erklärten gemeinsam, gegen den Klimawandel kämpfen zu wollen. Der Bundesstaat Hawaii beschloss per Gesetz, seinen Treibhausgasausstoß in Einklang mit den Pariser Zielen zu reduzieren. Und Kalifornien schloss ein bilaterales Klimaabkommen mit China.

Städte, Staaten und Wirtschaft haben auch Macht

Auch Entscheidungen und Engagement von Akteuren jenseits der Politik- und Verwaltungsebene haben Gewicht. Unternehmen und Investoren etwa beeinflussen mit ihrem Handeln in besonderer Weise, wie sich die Wirtschaft entwickelt, wie robust sie ist. Gemeinsam mit der Städte- und Bundesstaatenebene sowie mit Universitäten unterzeichneten in den USA zahlreiche Unternehmen nach Trumps Austrittserklärung eine Deklaration, sich weiter für die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens einzusetzen. „We Are Still In“ – so die Botschaft.

Auch außerhalb der Vereinigten Staaten entstehen neue Bündnisse. In Deutschland hat sich mit Blick auf den G20-Gipfel in Hamburg die Stiftungsplattform F20 gegründet. Auch der WWF Deutschland ist als Stiftung Gründungsmitglied dieser Initiative. Sie ergänzt als noch inoffizielle, sogenannte Engagement Group die C20 der Zivilgesellschaft, die sich gerade erst mit der F20, den Think Tanks und Forschungsinstituten (T20), Unternehmen (B20), Frauen (W20), Gewerkschaften (L20) und der Jugend (Y20) in einem Appell an die G20 gewandt haben: Sie fordern gemeinsam ein klares Signal für den Klimaschutz von wenigstens 19 der 20 Mitglieder.

Im Vordergrund stehen bei den F20 das Pariser Klimaschutzabkommen und die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs), die nur wenige Monate vor Paris in New York beschlossen wurden. Die Mitglieder sehen Abkommen und SDGs als Grundlage dafür, wirtschaftliche Entwicklung und Teilhabe innerhalb unserer planetaren Grenzen zu erreichen.

Zivilgesellschaft treibt die Energiewende

Ihre Hauptbotschaft zum G20-Gipfel in Deutschland betrifft die Energiewende. Sie ist in einer Reihe von G20-Ländern auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Größenordnungen bereits heute Realität - oftmals vorangetrieben durch eine engagierte Zivilgesellschaft. Es ist daher sowohl Aufgabe als auch Chance für die G20-Staatschefs, den Prozess nicht zu verschlafen, sondern sich an die Spitze der Bewegung zu setzen, zugunsten des Klimaschutzes wie auch der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Länder. Für den Gipfel bereiten die F20 dazu einen Report vor.

Eberhard Brandes ist Geschäfsführer des WWF Deutschland.
Eberhard Brandes ist Geschäfsführer des WWF Deutschland.

© Laurin Schmid/WWF

Auch Deutschland, eigentlich Begründer der Energiewende, muss sie viel entschlossener umsetzen. Dafür braucht es einmal Entscheidungen der Politik. Maßgeblich sind jedoch die einzelnen Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, denn sie gestalten und tragen die Energiewende. Gelingt Deutschland dieses gesamtgesellschaftliche Projekt, kann es seinen Vorsprung nutzen und gleichzeitig dazu beitragen, die Energiewende in anderen Ländern der G20 zu beschleunigen. Die F20 haben dabei dank ihrer heterogenen Zusammensetzung den besonderen Vorteil, als Brücke zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft fungieren zu können.

Jede und jeder kann etwas tun

All diese Engagements von Staaten, Städten, Unternehmen, Stiftungen, NGOs und Privatpersonen zeigen am Ende eines ganz deutlich: Wir alle können unsere Gesellschaft mitgestalten und mitentscheiden, wohin wir steuern. Wir müssen nicht tatenlos zusehen, was unsere Regierungen tun, wie beim Austritt der US-Administration aus dem Pariser Abkommen, oder verpassen zu tun, wie beim Kohleausstieg in Deutschland. Über Bündnisse und Partnerschaften bilden wir ein starkes Netzwerk, über das auch wir am Wandel hin zu einer klimafreundlichen und nachhaltigen Zukunft mitwirken können.

Das neue F20-Bündnis kann hier noch einmal neue, starke Akzente setzen. Und der Ausbau der F20-Aktivitäten mit Blick auf die nächsten G20-Gipfel in Argentinien und voraussichtlich Indien ist schon in Arbeit. Aus beiden Ländern sind bereits Stiftungen an Bord.

Eberhard Brandes ist Geschäftsführender Vorstand der Umweltstiftung WWF Deutschland.

Der Standpunkt von Eberhard Brandes ist am 22. Juni 2017 zuerst im neuen Politikbriefing Tagesspiegel Background Energie und Klima erschienen.

Eberhard Brandes

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