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Politik: Stasi-Akten: Kein Spielmaterial gegen West-Politiker

Helmut Kohl drohte mit dem Gericht, Otto Schily mit einem neuen Gesetz. Die frisch gekürte Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, stand unter Dauerbeschuss, weil sie Stasi-Akten über den Altkanzler an Journalisten weitergeben wollte.

Helmut Kohl drohte mit dem Gericht, Otto Schily mit einem neuen Gesetz. Die frisch gekürte Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, stand unter Dauerbeschuss, weil sie Stasi-Akten über den Altkanzler an Journalisten weitergeben wollte. Der Bundesinnenminister sah darin eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts und wollte Birthler in die Schranken weisen. Kohl bemühte sogar das Verwaltungsgericht, um die Veröffentlichung zu verhindern. Doch die Akten-Hüterin beharrte darauf, sie sei zur Herausgabe "verpflichtet". Die Parteien waren hin- und hergerissen. Nun scheint eine Lösung nahe. Und das ist vorrangig Birthlers Verdienst.

In einem internen Eckpunktepapier, das dem Tagesspiegel vorliegt, stellt die Akten-Beauftragte klar, dass sie Materialien nur für die "politische und historische Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit" bereitstellen will. Recherchen von Journalisten und Historikern, die sich allzu offensichtlich mit Sünden westdeutscher Alt-Linker oder illegalen Parteispenden beschäftigen, werden künftig abgewiesen. "Wichtig ist die Zweckbindung", erklärt Behördensprecher Christian Booß, "wer Spielmaterial gegen westdeutsche Politiker sucht, hat Pech gehabt." Beispiel Christian Ströbele: Über den grünen Rechtsanwalt sammelte die Stasi einst ordnerweise Material. Noch vor einem Jahr hätten Journalisten wenig Probleme gehabt, das gesamte Dossier einzusehen. Heute würde die Akten-Behörde im Zweifel nur ein paar Seiten herausgeben, auf denen der Einfluss der Stasi auf Ströbele dokumentiert wird.

Die Balance zwischen Persönlichkeitsrechten abgehörter Personen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird neu austariert. Opfer von Abhörmaßnahmen - und das war Kohl - sollen besser geschützt werden. Deshalb werden künftig Betroffene benachrichtigt, wenn Journalisten in ihren Akten stöbern. Jedem steht dann offen, vor Veröffentlichung den Rechtsweg auszuschöpfen. Generell verboten ist die Weitergabe von Abhörprotokollen und Privatmaterial. Für die Presse dürfte damit die Arbeit schwieriger werden, Stasi-Forscher befürchten Behinderungen. Die Debatte über eine mögliche "Sonderregelung für Westdeutsche" könnte neue Nahrung erhalten.

Auch Innenministerium und der Innenausschuss des Bundestages sehen weiteren Klärungsbedarf. "Da ist noch Feinarbeit nötig", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, dem Tagesspiegel. Insgesamt sei das Birthler-Papier aber "sehr hilfreich". Eines zeichet sich ab: Mit der neuen Richtlinie hat Birthler den politischen Streit entschärft und den Erhalt ihrer Behörde vorerst gesichert. Bleibt nur noch die Klage von Helmut Kohl. "Vielleicht überlegt er jetzt noch einmal neu", hofft Booß.

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