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Politik: Stasi-Offiziere bestreiten Verantwortung für Todesschüsse

Berlin. Genau 26 Jahre nach dem Tod von Michael Gartenschläger müssen sich seit Dienstag zwei ehemalige Stasi-Offiziere vor dem Landgericht Berlin verantworten.

Berlin. Genau 26 Jahre nach dem Tod von Michael Gartenschläger müssen sich seit Dienstag zwei ehemalige Stasi-Offiziere vor dem Landgericht Berlin verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen in dem wohl letzten spektakulären Grenz-Prozess nach der Wiedervereinigung mittelbaren Totschlag vor. Sie sollen für jenen Plan verantwortlich sein, aufgrund dessen der „Grenzverletzer“ Gartenschläger in der Nacht zum 1. Mai 1976 rund 50 Kilometer südlich von Lübeck an der innerdeutschen Grenze erschossen wurde. Er geriet in einen Hinterhalt eines Stasi-Sondertrupps, als er zum dritten Mal einen so genannten Selbstschussautomaten vom Westen aus vom Metallgitterzaun der DDR-Grenze montieren wollte. Mit den ersten beiden Demontagen hatte er weltweites Aufsehen erregt und die DDR blamiert, die die Existenz der Todesautomaten lange bestritten hatte.

Eigentlich sollte auch Karl Kleinjung vor Gericht stehen. Doch dem inzwischen 90 Jahre alten Ex-MfS-Hauptabteilungsleiter und Stellvertreter Erich Mielkes bescheinigte ein Gutachten, altersschwach, pflegebedürftig und verhandlungsunfähig zu sein. Sein Verfahren wurde abgetrennt und vorläufig eingestellt. Die Anklage wirft dem einstigen MfS-Abteilungsleiter Helmut H. und dem Chef der Stasi-Einsatzkompanie Wolfgang S. vor allem vor, dass in dem so genannten Maßnahmeplan zur Verhinderung weiterer Minendiebstähle nicht nur von der Festnahme, sondern auch von der Vernichtung der „Grenzprovokateure“ die Rede ist. An anderer Stelle ist von „Liquidierung“ die Rede. Beide Angeklagten bestritten die Vorwürfe vehement, H. nannte die Anklage wirklichkeitsfremd und konstruiert. Einerseits seien sie nur „Nebenbeteiligte“ beziehungsweise „ein kleines Licht“ in der Befehlskette gewesen. Das Zepter in der Hand gehabt habe ein Grenztruppenoffizier – der in den 80er Jahren gestorben sei. Und was über ihren Köpfen und teilweise an ihnen vorbei entschieden wurde, sei ihnen kaum mitgeteilt worden. Außerdem, so versicherten die Angeklagten, sei der Tod Gartenschlägers nie geplant gewesen. Ihn festzunehmen und Hintermänner zu ermitteln, sei Ziel gewesen. Die Begriffe „vernichten“ und „liquidieren“ seien zudem nicht mit „töten“ gleichzusetzen, beteuerten sie. Das MfS habe auch Vorgänge oder Akten liquidiert.

Unglaubwürdig erschienen dem Vorsitzenden Richter die Antworten des ehemaligen Kompaniechef S. auf die Frage, warum mit ihm bei einem Ortstermin an der Grenze nicht Details der durch seine Truppe geplanten Festnahme besprochen wurden. Wenn vier „Kämpfer“ im Gras auf eine angeblich unbekannte Zahl von Grenzverletzern warten sollen, die in einem 400 Meter langen Abschnitt erwartet werden, wäre dies natürlich gewesen, insistierte der Richter. Doch S. blieb dabei, dass er damals nicht einmal den n „Gartenschläger“ gehört hatte. Die spätere Bewertung des Einsatzes als „sehr gut“ sei nur auf die Disziplin und den Einsatzwillen seiner Leute bezogen, so S.

Drei der Kämpfer, die 1976 auf Gartenschläger schossen, standen vor zwei Jahren in Schwerin wegen versuchten Mordes vor Gericht. Sie wurden freigesprochen, da die Kammer nicht ausschließen konnte, dass die neun Schüsse, die Gartenschläger trafen, in Notwehr abgegeben wurden.

Gartenschläger, Gründer eines Ted-Herold-Fanclubs in Strausberg, war 1961 als 17-Jähriger zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte mit vier Freunden Parolen gegen den Mauerbau an Häuserwände geschrieben. Andreas Frost

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