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Politik: Stasi-Verdacht: Aktenreste aus dem All - Siegmund Jähn, war bei der Staatssicherheit registriert

Es war ein großer Tag für die DDR. Gebannt hingen die Ostdeutschen vor den Fernsehschirmen, ohne auf die Westprogramme umzuschalten.

Es war ein großer Tag für die DDR. Gebannt hingen die Ostdeutschen vor den Fernsehschirmen, ohne auf die Westprogramme umzuschalten. Auf dem Alexanderplatz lockte das DDR-Fernsehen mit einem Monitor Hunderte Schaulustige an. Am 26. August 1978 war der Kosmonaut Siegmund Jähn in den Weltraum gestartet. Im sowjetischen Raumschiff "Sojus 31" war er um 15 Uhr 51 von der Erde abgehoben. Der erste Deutsche im All wurde zum Helden gekürt. Das "Neue Deutschland" feierte mit einer Sonderausgabe "unseren Himmelsstürmer".

22 Jahre später erhält der Mythos erste Kratzer. In der Gauck-Behörde ist die Stasi-Akte des Weltraumfahrers aufgetaucht. Demnach wurde Jähn vom MfS seit 1980 unter dem Decknamen "Falke" als "Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit" geführt. Ab 1986 war er als "Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit" registriert. Sein Deckname in der Geheimdienst-Kartei lautete "Tanja".

In der Gauck-Behörde liegen mehrere Karteikarten und Reste eines Aktenvorganges vor. "Wir haben Hinweise auf einen mehrbändigen Vorgang, von dem die meisten Akten verschwunden sind", sagte Sprecherin Cornelia Bull dem Tagesspiegel. Das vorhandene Material wirft ein Schlaglicht auf Jähns Beziehung zu Mielkes Genossen. In einem Bericht der "Abteilung Luftstreitkräfte" der Hauptabteilung I ist von einem "engen Vertrauensverhältnis" zum MfS die Rede, das während Jähns Ausbildung "erweitert und ausgebaut wurde". In dem Dokument vom 4. Januar 1982 heißt es über die Tätigkeit Jähns: "Erteilte Verhaltenslinien bei Reisen ins nichtsozialistische Ausland wurden strikt befolgt. Die durch ihn erarbeiteten Informationen zeichnen sich durch Objektivität und Gründlichkeit aus." Den Unterlagen zufolge hatte der Kosmonaut einen Führungsoffizier namens Major Fischer. Jähn selbst hat inzwischen eingeräumt, Fischer zu kennen: "Der kümmerte sich während des Fluges um meine Eltern."

Aus seinen Kontakten mit dem DDR-Sicherheitsapparat hat Jähn nie ein Hehl gemacht. Schon mit 18 Jahren trat der gelernte Buchdrucker in die "bewaffneten Kräfte" ein und wurde SED-Mitglied. In der Nationalen Volksarmee wurde er zum Jagdflieger ausgebildet und mauserte sich zum Oberstleutnant mit 1000 Flugstunden. Jähns Frau Erika passte als engagierte SED-Genossin in die Bilderbuch-Biografie. "Es liegt nahe, dass das MfS einen Mann von seiner Bedeutung an sich binden wollte", kommentiert Bull.

Nach seinem Flug wurde Jähn abgeschirmt. Über Probleme bei der Landung in der kasachischen Steppe durfte er nicht sprechen. Seine 1983 verfasste Doktorarbeit zum Thema Fernerkundung der Erde blieb unter Verschluss. Heute arbeitet der inzwischen 63-Jährige für die europäische Raumfahrtagentur Esa im Moskauer Sternenstädtchen. In seinem sächsischen Heimatort Morgenröte-Rautenkranz wurde er seit dem Umbruch nicht mehr gesehen. "Der ist seit zehn Jahren in der Sowjetunion", heißt es aus dem Hause des Cousins Siegfried. Dass ihr Held bei der Stasi gewesen sein soll, glaube niemand im Dorf. "Das kann nicht stimmen." Im Vogtland ist man immer noch stolz - auch wenn Jähn seinen Start dem 30. Geburtstag der DDR gewidmet hatte.

Hans Modrow, damals SED-Bezirkschef in Dresden und später DDR-Ministerpräsident, erinnert sich noch gut an jene Tage. "Siegmund war ein mutiger und gutmütiger Mann", meint er, "doch zum Helden taugte er nicht." Die Debatte über Jähns MfS-Tätigkeit hält der PDS-Ehrenvorsitzende für "kleinkarierte Verfolgungswut". Er spricht vom "neuen Kalten Krieg", der ostdeutsche Biografien zerstöre. Modrow will sich davon nicht beirren lassen. "Mein Bild von Siegmund Jähn kann mir niemand nehmen."

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