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Status Deutschland: Die Kuschelrepublik

Deutschlands Politiker haben es schwer. Angesichts der Finanzkrise, des demografischen Wandels und der Klimakatastrophe verlangt der Bürger nach Krisenmanagern, die Entscheidungen auch in komplizierten Zeiten einfach und vor allem gerecht erscheinen lassen. Doch die Forderung nach mehr Kuschelpolitik schwächt die Demokratie.

Jetzt müssen sie auch noch Torten werfen können. Heinz Buschkowsky, populärer Bürgermeister von Berlin- Neukölln, machte jüngst im Fernsehen Comedy mit dem Komiker Kurt Krömer, der in dem Tortenklamauk das Opfer gab. Buschkowsky hat überregionale Bekanntheit erlangt, weil er ein paar Wahrheiten über Integration und Parallelgesellschaften ausgesprochen hat. Nun folgt er in Sachen Popularitätsgewinn dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, der sich mit Größen der Fernsehunterhaltung für die Kamera schon auf dem Studioboden gebalgt hat.

Politiker können einem leidtun. Derart stark empfinden sie den Druck, bei den Leuten mit etwas anderem als mit Politik anzukommen, dass sich viele von ihnen für kaum etwas zu schade sind. Das gilt nicht nur für Sozialdemokraten. In Sachen Anpassung an den Publikumsgeschmack ist Frau Bundeskanzlerin kaum zu übertreffen. Damals, in Leipzig, auf dem schon Lichtjahre entfernten Reformparteitag der CDU, wirkte sie wie die deutsche Version von Maggie Thatcher. Daran arbeitete sie mit einem Wahlkampf, der im September 2005 als „Richtungsentscheidung“ für „mehr Freiheit“ gedacht war. Merkel assistierte ein deregulierungsfreudiger Professor aus Heidelberg.

Doch mit der Macht fand Merkel zurück zur Staatsgläubigkeit. Die Linksdrift der SPD zog die Linksdrift der Union nach sich, erkennbar an der Reform der Hartz-Reformen. Nun ist ohnehin der starke Staat gefragt. Politiker sind Helden. Die Finanzkrise ist eine Vertrauenskrise, vielleicht sogar eine Systemkrise. Sie fügt sich zur demografischen Krise und zur Klimakatastrophe. In diesen Zeiten darf es nicht nur, es soll, es muss mehr Staat sein. Krisen brauchen Krisenmanager, nicht unbedingt Politiker. Staat ist gut, Markt und Freiheit sind schlecht – oder ist das zu schlicht gedacht? Oskar Lafontaines jüngster Fernsehauftritt (bei Frau Illner) stand unter dem Motto „Kapitalismus gegen Sozialismus?“. Das ist groß und schlicht gefragt. Man muss die Dinge in komplizierten Zeiten einfach machen, sonst blickt keiner mehr durch.

Bloß ist die Demokratie nicht einfach. Dass der Staat auf einmal wieder stark sein darf und stark sein soll, dass Politiker Helden sind, überdeckt eine Schwäche des demokratischen Systems, die längst krisenhafte Züge trägt. Demokratie setzt Freiheit zur Wahl voraus – Alternativen. Staat gegen Markt, das wäre ein Gegensatzpaar, wenn es hierzulande noch mehrheitsfähige Marktverfechter gäbe. Aber die Repräsentanten der Demokratie wollen vor allem nett sein und ankommen. In Umfragen sagen inzwischen mehr als die Hälfte der Leute, sie seien mit der Demokratie nicht zufrieden. Und „gerecht“ sei sie auch nicht. Muss sie das denn sein?

Der Erfolg der Linkspartei auch im Westen lässt darauf schließen, dass die Umverteilung, pardon: die Gerechtigkeit vielen Westmenschen wichtiger geworden ist als die Freiheit. Demokratie aber braucht entschiedenen Streit über deutliche Gegensätze. Daran fehlt es bei uns. Mag sein, dass ein ganzes Land es gern sozial und kuschelig hat. Aber was ist in der nächsten großen Krise, wenn es vielleicht mal um unpopuläre Entscheidungen geht? Klimabedingt gegen die Autoindustrie und gegen 25 Grad Zimmertemperatur im Winter? Die große Koalition steht für einen politisch-populistischen Komplex, der den Staat stärkt und die Demokratie schwächt.

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