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Stein um Stein: Was bedeutet Israels Schritt für den Frieden?

Die israelische Regierung hat angekündigt, 900 neue Wohneinheiten in der jüdischen Siedlung Gilo zu bauen – was international scharf kritisiert wird. Was bedeutet das für den Friedensprozess im Nahen Osten?

Der Ausbau der Siedlung Gilo im Süden Jerusalems ist für die Palästinenser nur die Bestätigung, dass Israel nicht daran interessiert ist, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, in der Friedensgespräche wieder aufgenommen werden könnten. Allerdings überrascht es sie wenig, denn seit dem Besuch von US-Außenministerin Hillary Clinton in der Region Ende Oktober haben sie alle Hoffnung aufgegeben, dass die USA Israel dazu bringen könnten, den gesamten Siedlungsbau zu stoppen.

Die Regierung von Barack Obama hatte sich eindeutig auf diese Forderung gegenüber Israel festgelegt, die auch die Palästinenser vertreten. Clinton war dann in Abu Dhabi und Jerusalem zurückgerudert und hatte erklärt, ein Baustopp sei „niemals Voraussetzung für Verhandlungen“ gewesen. Vor diesem Hintergrund hatte der frustrierte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas seinen Rückzug aus der Politik abgekündigt. Die Palästinenser lehnen Gespräche ab, solange Israel weiter Fakten schaffe, die eine Zweistaatenlösung immer unwahrscheinlicher machen.

Die Siedlung Gilo wirft außerdem wieder ein Schlaglicht auf die unterschiedlichen Sichtweisen von Völkerrecht und israelischer Politik. In Israel herrscht ein Konsens, dass Gilo fester Bestandteil Jerusalems und Israels ist und eben keine Siedlung. Laut Völkerrecht ist Gilo aber auf palästinensischem Land gebaut, das Israel 1967 erobert hat. Ostjerusalem und etwa 70 Quadratkilometer palästinensischen Landes um Jerusalem herum wurden damals annektiert. Auf diesem Gebiet entstand seit 1970 unter anderem Gilo, das zusammen mit anderen Siedlungen einen Gürtel um Jerusalem herum bildet. Ostjerusalem wird dadurch von der Westbank abgeschnitten, zwei kleinere palästinensische Ort sind zwischen Gilo und dem ursprünglichen Gebiet Westjerusalems eingekeilt. Nicht entgangen ist den Palästinensern allerdings, dass Präsident Obama in seiner Kritik an dem weiteren Ausbau Gilos von einer „Siedlung“ sprach und damit die Terminologie des Völkerrechts übernahm.

Ganz ohne Folgen bleibt die harsche Kritik Obamas vielleicht nicht. Das Wohnbauministerium hat wohl Ausbaupläne für zwei weitere Siedlungen innerhalb des von Israel definierten Großraums Jerusalem vorläufig in die Schublade zurückgepackt. Dabei geht es um Bauausschreibungen für insgesamt fast 1500 Wohneinheiten in Pisgat Zeev und Har Homa, die auf palästinensischem Land errichtet worden sind. Ausgerechnet im von einem Minister der ultrareligiös-nationalistischen Schas-Partei geleiteten Ministerium kam man zur Überzeugung, dass man die Amerikaner zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht noch weiter provozieren sollte.

Pisgat Zeev liegt im Norden des erweiterten Stadtgebietes von Jerusalem und ist mit 41 000 Einwohnern eines der größeren Stadtquartiere. Har Homa wurde 1997 von der ersten Regierung Netanjahu trotz internationaler Proteste im Süden der Stadt auf einem damals waldigen Hügel direkt neben dem palästinensischen Bethlehem errichtet und schneidet den Ort endgültig von Ostjerusalem ab. Beide Projekte waren im bürokratischen Prozess viel weiter fortgeschritten als die 900 Wohneinheiten von Gilo.

Für US-Medien ist der Siedlungsbau in Gilo kein einschneidendes Ereignis. Viele Zeitungen meldeten den Konflikt nicht einmal. Auch die Interviewäußerung Barack Obamas, die Israels Aktivitäten offen kritisiert, fand in den USA kaum Beachtung. Während seiner Asienreise sagte Obama dem konservativen TV-Sender Fox: „Ich denke, dass der Bau zusätzlicher Wohnungen in den Siedlungen nicht zu Israels Sicherheit beiträgt.“ Jeder Siedlungsbau erschwere den Friedensprozess, könne die Palästinenser weiter verbittern und deshalb gefährliche Folgen für Israel haben. Obama fügte hinzu, Israels Sicherheit sei für die USA von „lebenswichtigem Interesse“. Das gilt als Hinweis, dass er die Militär- und Budgethilfe für Israel nicht kürzen wird.

Seit seinem Amtsantritt hat Obama Israels Siedlungsbau als Hindernis für den Friedensprozess bezeichnet. Das haben zwar alle US-Präsidenten immer wieder getan. Doch Obama tat das offener als seine Vorgänger und weckte damit bei manchen die Hoffnung, er werde mehr Druck auf Israel ausüben, um ein Ende des Siedlungsbaus zu erzwingen.

In den USA ist diese Erwartung nicht so verbreitet. Die Aussichten auf Fortschritte im Friedensprozess werden für absehbare Zeit als gering eingeschätzt. In Israel ist erst kürzlich ein konservativer Premier gewählt worden, Benjamin Netanjahu, der im Wahlkampf eine harte Haltung versprach und seine Position wohl kaum in den ersten Monaten ändern wird. Auf palästinensischer Seite gibt es keinen Ansprechpartner, der verbindliche Absprachen treffen und durchsetzen kann. Da die Voraussetzungen für rasche Erfolge fehlen, so analysieren US-Experten die Lage, wäre es verständlich, wenn Obama vorerst die Finger vom Nahen Osten ließe. Er engagiere sich dennoch, weil abwartendes Nichtstun auch nichts helfe. Er wolle den Dialog am Leben halten in der Hoffnung, dass sich die Lage mittelfristig bessere.

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