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Politik: Steinmeier fordert Abrüstungsdebatte

Appell im Raketenstreit an Nato und Russland: Die Arithmetik des Kalten Krieges funktioniert nicht mehr

Oslo/Berlin - Mit einer neuen Abrüstungsdebatte in der Nato will Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine „Eskalation“ des Streits mit Russland vermeiden. Die „Arithmetik des Kalten Kriegs“ mit ihrem Abzählen von gepanzerten Fahrzeugen, Raketen und Truppen funktioniere nicht mehr, sagte Steinmeier am Freitag nach Abschluss des informellen Nato-Treffens in Oslo. Zugleich forderte die Nato von Russland eine Klarstellung zu dem angekündigten Rückzug aus dem Abrüstungsvertrag für konventionelle Streitkräfte. Der russische Präsident Wladimir Putin erneuerte in Moskau seine Kritik an dem geplanten US-Raketenschild.

Putin drohte erneut „Gegenmaßnahmen“ Russlands an, wenn die USA an ihren Plänen zu einem Raketenschild in Tschechien und Polen festhielten. „Die Gefahr, sich gegenseitig Schaden zuzufügen oder sich sogar zu zerstören, steigt viele Male“, warnte Putin nach einem Gespräch mit dem tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus. Die von den USA angeführte Erklärung, die Raketenabwehr solle dem Schutz vor Angriffen aus dem Iran und Nordkorea dienen, bezeichnete Putin als „lächerlich“.

„Was wir brauchen, ist nicht weniger Abrüstung und Abrüstungskontrolle, sondern wir brauchen mehr davon“, unterstrich unterdessen Steinmeier in Oslo. Es sei für die „Glaubwürdigkeit“ des Bündnisses erforderlich, sich der veränderten Lage zu stellen. Die derzeitige Diskussion über den geplanten US-Raketenschild in Osteuropa nannte der Minister dabei „ebenso problematisch“ wie die Ankündigung Putins, den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) auszusetzen. Sein Vorstoß zu einer neuen Abrüstungsdebatte sei bei den Bündnispartnern auf Zustimmung gestoßen, berichtete Steinmeier aus den Gesprächen im Nordatlantik-Rat. US-Außenministerin Condoleezza Rice äußerte sich dazu nach Angaben des Ministers allerdings nicht.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), regte ein Treffen zwischen US-Präsident George W. Bush und Putin an, wie er dem Konstanzer „Südkurier“ sagte.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) rief Moskau auf, seinen Verpflichtungen aus dem Abrüstungsvertrag KSE gerecht zu werden. Der Westen müsse „den Weg der Abrüstung im Blickfeld behalten“, sagte Jung dem Sender N24 in Berlin. Zugleich warf er Putin vor, „Drohungen“ den Vorzug vor Gesprächen zu geben.

Die Nato forderte von Russland eine Klarstellung, was Putin mit dem angekündigten Rückzug von dem KSE-Vertrag gemeint habe. Bündnis-Sprecher James Appathurai verwies auf Angaben aus Moskau, wonach Russland den KSE-Vertrag womöglich erst in sechs Monaten oder in einem Jahr auf Eis legen wolle. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hatte am Donnerstagabend nach einem Treffen der 26 Nato-Staaten mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow gesagt, Russland habe den konventionellen Abrüstungsvertrag mit der Nato de facto ausgesetzt.

Auch in einem zweiten Streitpunkt forderte die Nato Bewegung von Russland: bei der Frage des künftigen Status des Kosovo sei nach acht Jahren „die Zeit für eine Entscheidung gekommen“, sagte De Hoop Scheffer. Russland droht mit einem Veto im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, sollte es eine Abstimmung über eine weitreichende Unabhängigkeit der Provinz von Serbien geben. Für die Nato stehe im Kosovo „viel auf dem Spiel“, sagte der Generalsekretär des Bündnisses weiter. Die Nato hat 16 000 Soldaten in der Provinz stationiert. Polen äußerte laut Diplomaten bei dem Nato-Treffen die Sorge, dass der Sicherheitsstreit mit Russland zu einer weiteren Verhärtung der Fronten führen könnte. Auch EU-Staaten wie die Slowakei oder Ungarn hatten im Vorfeld des Treffens Bedenken über eine weitreichende Unabhängigkeit des Kosovo geäußert.AFP/dpa

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