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Zurechtgerückt. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier spürt Gegenwind. Kritiker sehen seinen Kurs gegenüber der Regierung als zu weich an.

© dapd

Steinmeier in der Kritik: SPD-Fraktion will ein Ende des Kuschelkurses

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier konnte sich bei seinen eigenen Leute in Bezug auf die Anti-Piraten-Mission nicht durchsetzen. Seine Niederlage dürfte den Auftakt zu härteren Auseinandersetzungen zwischen SPD und Regierung markieren.

Von Hans Monath

Am Tag darauf gab sich Thomas Oppermann alle Mühe, das Aufbegehren der SPD-Fraktion gegen ihre Führung in eine Bagatelle umzudeuten. Nicht um eine politische Grundsatzentscheidung, sondern um „eine Geschmacksfrage“ sei es in der von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier verlorenen Abstimmung um die Anti-Piraten-Mission am Dienstag gegangen. Also um eine „absolut untergeordnete Nebenfrage“, versicherte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Fraktion mit treuherzigem Augenaufschlag. Schließlich gebe es in der SPD „99 Prozent Übereinstimmung“, dass die EU-Mission Atalanta grundsätzlich richtig, nur die von der Regierung vorgeschlagene Ausweitung der Piratenbekämpfung auf die somalische Küste falsch und gefährlich sei.

Gegen Oppermanns Deutung spricht nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern auch Steinmeiers Reaktion. „Stinksauer“ sei der potenzielle SPD-Kanzlerkandidat nach der Niederlage gewesen, wurde in der Fraktion kolportiert. Denn nur 52 Abgeordnete folgten dem Vorschlag des Ex-Außenministers, sich bei der Abstimmung über das auf die Küste ausgedehnte Atalanta-Mandat an diesem Donnerstag im Bundestag zu enthalten. 58 SPD-Parlamentarier aber verlangten, die Mission klar abzulehnen und mit Nein zu votieren. Die Mehrheit war knapp, bestimmt aber nun die Haltung der Fraktion.

Steinmeier wird es verschmerzen, dass die Koalition im Bundestag nun über seine mangelnde Führungskraft spottet und der SPD Flucht aus der außenpolitischen Verantwortung vorwirft. Etwas anderes muss ihn viel mehr beunruhigen: Sein Atalanta-Debakel macht deutlich, welcher Unmut sich in der Fraktion über einen angeblich zu weichen, zu unprofilierten, zu staatsmännischen Kurs der SPD gegenüber Kanzlerin Angela Merkel (CDU) inzwischen aufgestaut hat. Sogar Vertreter des konservativen „Seeheimer Kreises“ in der SPD und Ex-Kabinettsmitglieder wie Edelgard Bulmahn und Ulla Schmidt stellten sich gegen Steinmeier. Der Ex-Außenminister ist kein Polarisierer, sondern betont gern die Verantwortung der größten Oppositionsfraktion.

Die SPD verliert aus Wählerperspektive zunehmend an Profil. Die Parteispitze sieht das anders.

Bei der Abstimmung über die Piratenbekämpfung wird das Nein der SPD-Fraktion keine unmittelbaren außenpolitischen Folgen haben, denn die Koalitionsmehrheit steht. Völlig anders aber wäre es, wenn die neue Lust der SPD an der Verweigerung sich auch bei der Abstimmung über den EU-Fiskalpakt niederschlagen würde. Da die Bundesregierung dafür eine Zweidrittelmehrheit braucht, ist sie auf die Stimmen der SPD angewiesen, die eine Ergänzung durch ein Wachstumspaket und eine Finanztransaktionssteuer zur Bedingung erklärt hat. Seit dem Sieg von François Hollande in Frankreich rechnen Steinmeier und SPD-Chef Sigmar Gabriel damit, dass Merkel ihnen zumindest beim Wachstumspaket weit entgegenkommt. Offen ist nun, ob ein solcher Erfolg in der Sache die Kritiker in den eigenen Reihen besänftigen würde.

Oppermann verteidigte den Kurs der Fraktionsführung am Mittwoch mit dem Argument, es fehle nicht an eindeutiger Kritik an der Bundesregierung. Die SPD stelle sich klar gegen das Betreuungsgeld, das Steuerabkommen mit der Schweiz und gegen Steuersenkungen auf Pump. Die Regierung müsse „hart rangenommen werden“, meinte der Steinmeier-Vertraute: „Das machen wir.“

Ob das die Freunde der „klaren Kante“ in der SPD überzeugt, ist schwer vorherzusagen. Nach der Wahl in Schleswig-Holstein hatten einzelne Vertreter der Parteilinken angesichts der Mobilisierungsschwäche der SPD verlangt, es müsse künftig „kämpferischer“ zugehen. Nach Hollandes Erfolg sieht sich auch die Vorsitzende der Gruppe Demokratische Linke, Hilde Mattheis, mit ihrer Forderung nach einer Neuverhandlung des Fiskalpakts bestätigt. „Ich habe nicht den Eindruck, dass wir in der SPD wenige sind, die so denken“, sagte sie dem Tagesspiegel. Mit linker Politik will sie die Partei profilieren: Die SPD müsse „sehr klar und deutlich Verteilungsfragen ansprechen und beantworten“ – etwa im bislang ungeklärten Streit um die Rente. Andere Vertreter der Parteilinken warnen vor unbestimmten Forderungen nach Konfrontation.

Einig sind sich Sozialdemokraten aller Flügel in der Erwartung, dass der Ausgang der Wahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag entscheidend ist für den Streit um eine härtere Oppositionspolitik. Eine rot- grüne Mehrheit für Hannelore Kraft würde die Debatte aufschieben. Falls die SPD aber ihr Wahlziel verfehlt, bricht in der Partei eine offene Schlacht um den richtigen Kurs bis zur Bundestagswahl aus.

Zu den potenziellen Kanzlerkandidaten Steinmeier und Peer Steinbrück würde ein Linksruck nicht passen. Der Parteichef hätte damit weniger Schwierigkeiten. Am Mittwoch nahm Gabriel Steinmeier übrigens in Schutz. Das Atalanta-Votum, sagte er, sei „keine Abstimmung gegen den Fraktionsvorsitzenden“.

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