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© AFP/ TIMOTHY A. CLARY

Steinmeier undiplomatisch: Kandidatenbeschimpfung nutzt nur Trump

Steinmeier nennt Trump einen Hassprediger, Hollande bekommt Brechreiz, wenn er Trump zuhört. Das sollten sie besser für sich behalten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ruth Ciesinger

Frank-Walter Steinmeier ist noch weitsichtiger als gedacht: Er weiß, dass Donald Trump die Wahl in den USA verlieren wird. Sonst hätte er den republikanischen Präsidentschaftskandidaten nicht öffentlich als "Hassprediger" bezeichnet. Damit hat der Außenminister sicher vielen deutschen Wählern aus der Seele gesprochen. Allerdings ließe sich über den philippinischen Präsidenten oder den weißrussischen Diktator ähnlich urteilen (und es gäbe da weitere Beispiele aktueller Staatshäupter) - doch hier schweigt der oberste deutsche Diplomat. Aus Gründen: Man muss schließlich noch zusammenarbeiten.

Das gilt allerdings auch für die USA. Und dass Donald Trump die Wahlen nicht gewinnen wird, wünschen sich zwar viele Deutsche (und Amerikaner), aber die jetzt gesunkenen Umfragezahlen für Trump sind eine Momentaufnahme. Zudem zeigt die jüngste Vergangenheit, dass Umfragen daneben liegen können. War da nicht was mit dem Brexit?

Trump mag schlechter dastehen, er mag das Establishment der Republikanischen Partei gegen sich aufgebracht haben - aber er ist ihr Kandidat. Dass die Republikaner soweit gehen, jetzt statt Trump Hillary Clinton zu wählen? Schwer vorstellbar, damit würde sich die Partei selbst pulverisieren. Was außerdem vergessen wird: Trumps potenzielle Wähler sind nicht die klassischen Republikaner, die Bush sen. und Bush jr. ins Amt gebracht haben, und für Mitt Romney oder John McCain stimmten. Trumps Anhängerschaft sind vor allem auch bisherige Nichtwähler. Die aber könnten, wenn entsprechend mobilisiert, die Wahl für ihn entscheiden.

Diesen Wählern spricht Trump aus der Seele, wenn er das apokalyptische Bild einer USA nahe am Rand des Untergangs zeichnet. Ihnen kann er gar nicht genügend ruppige Sprüche raushauen, denn endlich sagt mal einer, wie es ist. Wenn Trump so richtig politisch unkorrekt wird, spricht er aus, was diese Amerikaner seit Jahren sagen. Trump gibt dem "White Trash" eine Stimme, der von Demokraten und Republikanern gleichermaßen vernachlässigt worden ist. Und noch etwas zu den Umfragen: Da im US-Wahlsystem derjenige Präsident wird, der die meisten Wahlmänner der einzelnen Bundestaaten auf sich vereinigt, kann ein Kandidat, der die Mehrheit der Wählerstimmen hat, dennoch verlieren - Al Gore kann sich daran erinnern.

Keine Zeit für öffentliche Charakteranalysen

Angesichts der extremen Unbeliebtheit von Hillary Clinton bei vielen amerikanischen Wählern kann es also gut sein, dass viele klassische Republikaner bei der Wahl schlicht zu Hause bleiben - und das hilft Donald Trump. Wer nächster US-Präsident wird, ist jedenfalls völlig offen. Frank-Walter Steinmeier war in seiner Äußerung zu Trump zwar immer noch zurückhaltender als Frankreichs Präsident Francois Hollande. Der verspürt offiziell "Brechreiz", wenn er Donald Trump zuhört. Aber selbst wenn: Es ist für Europäer jetzt nicht die Zeit öffentlicher Charakteranalysen - und vor allem nicht dafür, sich bei den eigenen Äußerungen auf trumpsches Niveau herabzulassen. Kein amerikanischer Wähler überdenkt aufgrund von Ratschlägen aus Europa seine Unterstützung für Trump noch einmal. Wenn überhaupt bestärkt es sie in ihrem isolationistischen Denken - und nutzt so Trump.

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