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Steuerabkommen mit der Schweiz: Schäuble muss in die Hoffnungsrunde

Nach dem vorläufigen Scheitern des Steuerabkommens mit der Schweiz im Bundesrat kann nur der Vermittlungsausschuss das Projekt von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble noch retten. Aber wollen die SPD, die Grünen und die Linken das? In der Länderkammer gaben sie sich hart. Aber auch Schwarz-Gelb hat einige Argumente.

Eines wollte der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) am Freitag im Bundesrat doch klarstellen: Seine SPD lehnt das Steuerabkommen mit der Schweiz nicht etwa aus Wahlkampfgründen ab, sondern aus Prinzip. Steuerehrlichkeit kontra Steuerhinterziehung, darum gehe es den Sozialdemokraten, und Walter-Borjans schob nach, dass er kein Abkommen unterstütze, „mit dem sich die ehrlichen Steuerzahler als Trottel vorkommen müssen“. SPD, Grüne und Linke sind daher standhaft geblieben am Freitag im Bundesrat. Das von Schwarz-Gelb ausgehandelte Abkommen, das die Nachbesteuerung von Schwarzgeld in der Schweiz zum Ziel hat, ist mangels Mehrheit in der Länderkammer vorerst gescheitert. Es dürfe keinen „Steuerrabatt“ für jahrelange Steuerhinterziehung geben, sagte Walter-Borjans. Wenn die Bundesregierung in der kommenden Woche nicht beschließt, den Vermittlungsausschuss anzurufen, um eine letzte Möglichkeit zur Lösung zu suchen, dann ist es endgültig tot.

Es geht aber nicht nur um Prinzipien, sondern auch um Zahlen. Da bewegen sich freilich alle auf unsicherem Terrain. Denn niemand weiß genau, wie hoch die Schwarzgeldvermögen in der Schweiz überhaupt sind, wie viel davon schon via Selbstanzeigen oder Strafverfolgung nach CD-Ankäufen nachträglich besteuert wurde (samt Strafen), damit also nicht mehr unter das Abkommen fällt, und wie viel Geld aus der Schweiz zwischenzeitlich abgezogen wurde. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) sagte, die Schätzungen beliefen sich auf 100 bis 150 Milliarden Euro an deutschen Vermögen in der Schweiz, davon die Hälfte mutmaßlich unversteuert. Da die Sätze der Nachversteuerung der Gesamtvermögen (nicht nur der Kapitalerträge) je nach Fall laut Abkommen zwischen 21 und 41 Prozent liegen – meist näher an der niedrigeren Zahl –, ist laut Schäfer mit etwa 13 Milliarden Euro zu rechnen, „konservativ geschätzt“. Das sei ein beträchtlicher Beitrag zur Sanierung der Etats. „Ohne Abkommen helfen wir nicht den Ehrlichen, sondern den Vermögensverschiebern“, sagte Schäfer.

Allerdings gehen andere Finanzminister von niedrigeren Summen aus. Der Niedersachse Möllring etwa nennt zehn Milliarden. Walter-Borjans bezeichnet solche Summen wiederum als „traumhafte Vorstellungen“. Die Schweizer Banken haben lediglich garantiert, zwei Milliarden Euro zu überweisen, unabhängig vom konkreten Ergebnis der Nachprüfungen. SPD und Grüne halten dagegen, dass dank der Ankäufe von Kontendaten – die in der Schweiz gestohlen und quasi als Hehlerware angeboten werden – schon heute viel Geld fließt. Und eben durch die vielen Selbstanzeigen der letzten Jahre, die aus Angst vor Entdeckung eingehen. NRW und Bayern zusammen haben seit 2010 so mehr als eine Milliarde Euro eingenommen. Das Abkommen dagegen schützt die Anonymität der Konteninhaber in der Schweiz – niemand muss sich dem deutschen Finanzamt offenbaren, weder für die pauschale Nachbesteuerung noch die künftige Abgeltung. Das Geld ziehen die Schweizer Banken ein.

Doch werden die Selbstanzeigen weiter zunehmen? Gibt es weiter ergiebige Daten-CDs? Ginge nicht bei einem endgültigen Scheitern viel Geld verloren? 300 bis 500 Millionen Euro wären es jährlich, rechnet Schäfer vor. Immerhin verjährt Steuerhinterziehung nach zehn Jahren. Eine Lösung könnte ein Entgegenkommen der Schweiz bei den „Abschleichern“ sein. Das sind Konteninhaber, die ihr Geld jetzt aus der Schweiz verlagern. Das ist zwar legal, allerdings eröffnet das Abkommen (wenn es in Kraft tritt) die Möglichkeit, diese Geldverlagerungen als Verdachtsfälle für Steuerhinterziehung verfolgen zu können, wenn diese Gelder zuvor weder der Nachbesteuerung geöffnet noch den deutschen Behörden gemeldet werden. Vereinfacht gesagt gibt es dafür derzeit zwei Fristen: den 1. Januar 2013, der Tag, an dem das Abkommen in Kraft treten sollte, oder den Juli 2012, der mit einer OECD-Vereinbarung zu dem Problem zusammenhängt. Noch ist offen, wofür die Schweiz sich entscheidet. Angaben für die Zeit vor Juli wollen die Schweizer aber nicht machen, wegen der Rückwirkung. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Rande der Bundesratssitzung, das „Abschleicherproblem“ sei aus seiner Sicht der „Hauptkritikpunkt“. Es ist nicht Teil des Abkommens, was eine Lösung jedenfalls nicht schwerer macht. Andererseits mochte Bundesfinanzminister Wolfhang Schäuble (CDU) nicht erkennen, wo das Problem überhaupt liegen soll: Die Behauptung, dass massenhaft "abgeschlichen" werde, lasse sich nicht belegen.

Das Abkommen selbst kann im Vermittlungsverfahren nicht mehr verändert werden. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) verweist darauf, dass der dritte Partner – die Schweiz – nicht am Tisch sitze. Daher könne man im Vermittlungsverfahren auch keinen an die Schweiz adressierten Forderungskatalog aufstellen.

Die Opposition favorisiert daher eher eine neue Verhandlungsrunde. Für den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) keine Lösung: Ein neues Abkommen wäre wohl nicht vor 2017 zu haben, glaubt er. Und dann gingen durch die Verjährung weitere Milliarden verloren, die man mit dem Abkommen sicher hätte. Auch ist nicht klar, ob ein zweites Abkommen substanziell anders aussehen könnte. Die von der SPD als Alternative angedeutete europaweite Lösung, mit einem automatischen Informationsaustausch, könnte längere Zeit in Anspruch nehmen.

Im Vermittlungsausschuss dürfte es nun ziemlich ausführlich um die Finanzen gehen. Denn neben dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen fanden am Freitag auch das Jahressteuergesetz und ein Reformgesetz zur Unternehmensbesteuerung in der Länderkammer keine Mehrheit. Auch hier könnten Bundestag und Bundesregierung die Vermittlung mit der Opposition suchen. Die Gesetze zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung und dem Abbau der kalten Progression (letztlich ein Vorhaben zur Mittelverdienerentlastung), zwei weitere Vorhaben, die sich auf die Landeshaushalte auswirken, hängen schon länger im Vermittlungsausschuss. Die Verhandlungsmasse wächst also. Ob SPD, Grüne und Linke am Ende vor allem darauf zielen, über eine konsequente Blockadepolitik der schwarz-gelben Koalition deutlich zu machen, dass sie keine Mehrheit mehr hat (um damit ein Signal für das Wahljahr 2013 zu setzen), oder ob es zu Kompromissen kommt, dürfte sich bald zeigen. Denn wenn das Steuerabkommen mit der Schweiz zum vereinbarten Zeitpunkt in Kraft treten soll, muss noch im Dezember eine Lösung gefunden werden.

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