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Staatsanwaltschaft Bochum - Bienioßek

© dpa

Steueraffäre: Die Stille nach dem Zugriff

Staatsanwaltschaft Bochum, Abteilung Wirtschaftskriminalität, ein ruhiger Flur, unsichtbare Fahnder. Doch zumindest ein Mann ist wütend: Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek hat ein Problem mit der Berichterstattung der Medien.

Von Sabine Beikler

Ein Herr mit Hut und Brille bleibt stehen, sein Blick wandert hin und her zwischen dem Stativ mit der Fernsehkamera und einem großen, grausilbernen Bau. „Was ist denn da los?“, fragt er. „Hier sitzen die Ermittler in der Steueraffäre von Klaus Zumwinkel“, antworten die TV-Leute. Sie stehen auf Verdacht hier. Könnte ja sein, einer kommt raus und erzählt, wie es weitergeht. Könnte ja sein, es gibt wieder Neuigkeiten in der bislang größten Steueraffäre Deutschlands. Aber die Mitglieder der „Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität“ im Justizgebäude am Husemannplatz in der Bochumer Innenstadt haben dichtgemacht. Nur einer spricht. Manchmal.

Der graue Justizbau ist in drei Komplexe aufgeteilt: Das Amtsgericht sitzt im Teil A, das Landgericht im angrenzenden Teil B und im Gebäudekomplex C arbeitet die Staatsanwaltschaft. Wer dahin will, muss sich durchfragen. Die Menschen auf den Fluren sind vorsichtig. Die Daten, die dort bearbeitet werden, sind sensibel und nicht unumstritten, seit klar ist, dass der BND sie beschafft hat. Mit dem Lift geht es in den elften Stock dann eine verschlossene Glastür. Auf einer Hinweistafel sieht man die Durchwahlnummern der Staatsanwälte. Über eine große Tastatur kann man sie anrufen; nur wenn sie Einlass gewähren, kommt man hier durch. Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek heißt der Mann, der als Einziger befugt ist, über das zu sprechen, was gestern in Deutschland begonnen hat: eine nie gekannte Serie von Hausdurchsuchungen und Steuerrazzien. Allein 125 sollen es diese Woche noch werden.

Auf dem Flur im elften Stock ist am Montag keine Hektik zu spüren. Nur aus dem Büro von Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek hört man Geräusche. Genauer gesagt: ein klingelndes Telefon und seine Stimme, die stakkatoartig wiederholt: „Nein, das kann ich nicht bestätigen“ und: „Ja, ich weiß, dass es diese Meldungen von Durchsuchungen gibt.“ Bernd Bienioßek, Anfang 50, grauer Vollbart und klare, helle Augen ist der Sprecher für Wirtschaftsstrafsachen und derzeitig sehr begehrt.

Man könnte meinen, ein Mann wie Bienioßek sei nun zufrieden. Immerhin werden dem Fiskus am Ende sehr wahrscheinlich einige Hundert verlorene Millionen wiedergegeben. Aber Bienioßek ist wütend. Er ist wütend auf die Medien. Vor allem über den Vorwurf, die Staatsanwaltschaft selbst habe vor der Hausdurchsuchung bei Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel am Donnerstagmorgen für die mediale Begleitung gesorgt. „Ich bin überzeugt davon, dass es von Seiten der Staatsanwaltschaft keine Informationen darüber gegeben hat“, sagt Bienioßek. „Jeden Tag wird versucht, eine Sau durchs Dorf zu treiben.“ Dabei plädiert er für einen „vernünftigen Umgang mit Steuerflüchtlingen“. Er meint: keine Vorverurteilungen und keine Namen.

Bienioßek weiß natürlich, welcher Ruf der Bochumer Staatsanwaltschaft vorauseilt: Wirtschaftskriminelle fürchten kaum eine andere Ermittlungsbehörde so sehr wie die in Bochum. In der Vergangenheit sind die Ermittler mit Verdächtigen nicht immer zimperlich umgegangen. Sie lassen schnell verhaften, drängen auf lange Haftstrafen, und Respekt vor Reichtum oder Prestige kennen sie auch nicht.

Dass ausgerechnet der Name „Zumwinkel“ an die Öffentlichkeit geraten ist, missfällt dem Oberstaatsanwalt. Jetzt werde die Öffentlichkeit nach weiteren Namen geradezu suchen. „Stattdessen wäre es wesentlich wichtiger, eine vernünftige gesellschaftspolitische Diskussion über die Steuerehrlichkeit zu führen“, sagt er. Konkreter will er nicht werden – und einen direkten Zusammenhang mit den aktuellen Fällen möchte er „zum jetzigen Zeitpunkt“ auch noch nicht ziehen.

In Bochum bearbeiten etwa 30 Staatsanwälte die Wirtschaftsstrafsachen. Mit den Ermittlungen zur aktuellen Steueraffäre sind vier Staatsanwälte unter Anleitung eines Oberstaatsanwaltes befasst. Zurzeit liegen 900 Durchsuchungsbeschlüsse vor, die „mehrere hundert Personen“ betreffen, sagt Sprecher Bienioßek. Gerüchte, nach denen es heißt, es seien 600 oder 700 Verdächtige, will er nicht bestätigen. Am Montag hat die Steuerfahndung mit ihrer bundesweiten Großrazzia begonnen. Erster Schwerpunkt der Aktion gegen mutmaßliche Steuerbetrüger war der Großraum München. Auch im Großraum Hamburg, rund um Frankfurt und in Ulm schlugen die Fahnder zu. Bis Ende der Woche sollen die ersten Razzien verlaufen. „Dann werden wir ein Zwischenresümee ziehen“, sagt Bienioßek.

Ein Kollege betritt das Büro des Oberstaatsanwaltes. Er erzählt, dass nun auch Meldungen über Durchsuchungen in Wattenscheid, Neuss, Münster und Essen über die Agenturen kämen. Bernd Bienioßek ist erstaunt. „Was, da sind wir doch heute gar nicht!“ Gerade eben habe jemand „von der Presse“ wissen wollen, ob es möglicherweise auch in Schleswig-Holstein Durchsuchungen geben werde. „Aber das ist doch müßig. Wir sagen dazu nichts. An so einer Schnitzeljagd beteiligen wir uns nicht“, sagt er. Nach zehn Minuten schaut er auf die Uhr, steht auf und entschuldigt sich. Er müsse wieder Telefongespräche annehmen.

Draußen vor der Tür steht immer noch das Fernsehteam. Mittlerweile gibt es weitere Hinweise auf Razzien in Nordrhein-Westfalen. Irgendwo soll es auch einen „Metallbaron“ mit einer Durchsuchung erwischt haben.

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