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Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© dpa

Steuern: Koalition will Mittelschicht um Milliarden Euro entlasten

Auch in der Union ist klar, dass man 2013 schlecht vor die Wähler treten kann, ohne sie steuerlich entlastet zu haben. Die Kanzlerin soll der FDP Senkungen zugesagt haben - der Beschluss soll schnell kommen.

Von Antje Sirleschtov

Dass der neue FDP-Vorsitzende Philipp Rösler ausgerechnet an diesem Wochenende eine „zügige Steuerentlastung“ angemahnt hat, die „noch in dieser Legislaturperiode bei den Bürgern ankommen muss“, hat bei den Koalitionspartnern von der Union zunächst einmal nur Kopfschütteln hervorgerufen. Jeder, der eins und eins zusammenzählen könne, hieß es dort, sorge sich angesichts der Milliardensummen, die den Bundeshaushalt die Griechenlandrettung und der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien kosten werden, derzeit um die Einhaltung der Schuldenbremse in Deutschland. Das lautstarke Pochen der Liberalen auf eine Entlastung wirke in einer solchen Zeit eher kontraproduktiv auf das Gesamtbild der schwarz-gelben Koalition.

In der Sache selbst läuft die neue FDP-Spitze indes offene Türen ein. Denn längst ist auch in der Union klar, dass man in gut zwei Jahren schlecht vor die Wähler treten kann, wenn bis dahin die Konjunktur brummt, die Neuverschuldung sinkt, Griechenland mit deutschen Milliarden gerettet ist, die eigenen Leute allerdings keinen Cent Entlastung erhalten haben. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll der FDP laut „Financial Times Deutschland“ Steuersenkungen für die Mittelschicht vor der nächsten Bundestagswahl denn auch zugesagt haben. Sie habe Rösler vor wenigen Tagen in einem vertraulichen Gespräch versichert, die FDP-Forderung nach spürbaren Entlastungen bei der Einkommensteuer spätestens 2013 doch umzusetzen.

Koalitionskreise bestätigten inzwischen entsprechende Pläne. Demnach sind Steuererleichterungen von bis zu zehn Milliarden Euro geplant. Voraussichtlich würden die Steuersenkungen in der Kabinettssitzung am 6. Juli offiziell beschlossen. Es sei geplant, eine Entlastung des Mittelstandes und der Mittelschicht in den Mittelpunkt zu stellen. Dies könne über eine Abflachung des sogenannten Mittelstandsbauchs bei der Einkommensteuer geschehen. Dieser Effekt sorgt dafür, dass mittlere Einkommen vom progressiv steigenden Steuertarif besonders stark belastet werden.

Im Herbst, wenn die Rettungspakete für den Euro unter Dach und Fach sind und die Steuereinnahmen noch immer so munter wachsen wie bisher, soll daher das Thema Steuerentlastung angepackt werden. Allerdings weniger auf die Art, wie es wohl den Liberalen vorschwebt. Schließlich wird für zweistellige Milliarden-Geschenke kein Spielraum da sein. Gedacht wird in der Union vielmehr an eine Paket von fünf oder sechs Milliarden Euro, mit dem die kalte Progression im Einkommenssteuerbereich (der Effekt, der dafür sorgt, dass von jedem Euro Lohnanhebung der Staat überproportional profitiert) und der Mittelstandsbauch (der Effekt, der dafür sorgt, dass mittlere Einkommen proportional die meisten Steuern zahlen) abgemildert werden. Und weil die neue Schuldenbremse im Grundgesetz vorschreibt, dass strukturelle Steuersenkungen mit strukturellen Mehreinnahmen an anderer Stelle verrechnet werden müssen, denken die Finanzexperten der Union an ein Gegenfinanzierungspaket, in dem zum Beispiel Veränderungen bei dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz und die Streichung von Steuersubventionen bei Handwerkerrechnungen zusammengetragen werden. Eine solche Gegenfinanzierung könnte dann auch dafür gut sein, der Abwehr der Bundesländer zu begegnen, die nicht bereit sind, Steuermindereinnahmen hinzunehmen, und auch aufseiten der Union eine Ablehnung im Bundesrat angekündigt haben.

Bei den Liberalen wird deshalb seit längerem über eine ganz andere Möglichkeit nachgedacht, das eigene Steuersenkungsversprechen auch ohne Zustimmung der Länderkammer bis 2013 umsetzen zu können. Die einzige Chance dafür wäre die Abschaffung des Solidaritätszuschlages, einer Art Sondersteuer, die nur dem Bund zusteht. Allerdings hat die Sache zwei Haken: Zum einen ist in der Bevölkerung der Solizuschlag eng mit der Förderung des Ostens verbunden, weshalb eine Abschaffung schlecht vermittelbar ist. Zum anderen, und das wäre für die Unionsanhänger noch inakzeptabler, würden bei dieser Lösung auch Millionäre entlastet. (mit dpa)

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