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Die Zentrale der "Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit" in Eschborn.

© AFP

Steuern: Schlupfloch im Ausland

Viele Entwicklungshelfer zahlen keine Steuern. Die bundeseigene Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sagt, das sei vom Gesetzgeber so gewollt.

Berlin - Für viele deutsche Entwicklungshelfer ist es ein Schock. Bisher konnten sie sicher sein, zu den Guten in diesem Land zu gehören. Schließlich sind sie bereit, ihr gewohntes Umfeld in Deutschland aufzugeben, um armen Ländern auf die Beine zu helfen. Doch nun sollen sie plötzlich gemeine Steuerhinterzieher sein. Das trifft sie hart. Doch Tatsache ist: Viele Mitarbeiter der bundeseigenen Entwicklungsagentur GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) zahlen keine Steuern, wenn sie im Ausland tätig sind. Und laut einem Bericht der „Stuttgarter Zeitung“ informierte die GIZ- Vorläuferorganisation GTZ ihre Mitarbeiter in Merkblättern darüber, was sie tun müssen, um Steuerschlupflöcher für sich zu nutzen – ihren deutschen Wohnsitz abmelden etwa.

Angesichts aktueller Debatten über Steuergerechtigkeit und Steuerflucht à la Uli Hoeneß bleiben kritische Fragen da nicht aus. Zumal die Mitarbeiter der GIZ überdurchschnittlich gut verdienen und in ihren Gastländern zwar oft deutlich gefährlicher leben als in Deutschland, auf ihren europäischen Lebensstandard dort in der Regel aber nicht verzichten müssen. Schließlich zahlt auch jeder Diplomat Steuern.

Die GIZler wollen dennoch nicht zu den Bösen gehören. Seit 35 Jahren sei dies gängige Rechtspraxis, rechtfertigt die Organisation mit Hauptsitz in Eschborn die Steuerabstinenz ihrer Mitarbeiter. „Es geht hier nicht um eine moralische Frage, sondern um die gültige Gesetzeslage“, sagte Sprecherin Anja Tomic dem Tagesspiegel. Die Steuerfreiheit sei vom Gesetzgeber gewollt. Als Grundlage verweist sie unter anderem auf Doppelbesteuerungsabkommen und Rahmenabkommen mit den Partnerländern, die GIZ-Mitarbeiter von der Steuerpflicht in Deutschland wie im Gastland freistellten. Bisher sei das von den Finanzämtern meist auch anerkannt worden. Die „Stuttgarter Zeitung“ berichtet jedoch, dass Finanzämter und Finanzgerichte immer öfter hohe Nachforderungen an GIZ-Mitarbeiter stellen, die bisherige Praxis also zunehmend infrage stellen. Erwähnt wird unter anderem ein Urteil aus Düsseldorf aus dem vergangenen Jahr, in dem es um 100 000 Euro geht, die ein GIZler im Ausland verdient hatte. Laut dem Bericht ging der Mann mit Unterstützung der GIZ bis zum Bundesfinanzhof, zog seine Revision dann aber zurück, um keinen Präzedenzfall zu schaffen.

Ganz so sicher wie in den offiziellen Stellungnahmen scheint sich das Unternehmen, das seit kurzem von der früheren baden-württembergischen Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) geführt wird, seiner Sache demnach nicht zu sein. Im deutschen Entwicklungsministerium, Hauptauftraggeber und Aufsichtsbehörde für die privatrechtlich als GmbH organisierte GIZ, will man nun eine grundsätzliche Klärung der Rechtslage herbeiführen. Viele GIZler werden bis dahin bange auf die Post vom Finanzamt warten – und möglicherweise hohe Nachforderungen zahlen müssen. Ulrike Scheffer

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