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Ehegattensplitting ist umstritten.

© picture alliance / dpa

Steuerpolitik: Großstadt-CDU will Ehegattensplitting reformieren

Die Hamburger CDU geht einen überraschenden Schritt: Sie schlägt eine Reform des bislang unantastbaren Ehegattensplittings vor. Die Opposition ist angetan und auch ein anderer Landesverband würde mitziehen.

Nachteile für unverheiratete Eltern, weniger Erwerbsanreiz für Frauen – das Ehegattensplitting hat einen schlechten Ruf, gilt als nicht mehr zeitgemäß. Eine Reform lässt allerdings seit Jahren auf sich warten. Nun kommt Bewegung in die Diskussion um eine Veränderung des Modells – ausgerechnet aus der CDU, für die das Ehegattensplitting bislang unantastbar war. In einem Leitantrag für den Landesparteitag der Hamburger CDU am 22. März schlägt der familienpolitische Sprecher der Union, Marcus Weinberg, das Konzept des „Familienteilsplittings“ vor. „Die politische Botschaft ist: Wir wollen eine Entlastung für Familien mit Kindern“, sagte er dem Tagesspiegel.

Weinbergs Vorschlag geht weit über das hinaus, was die CDU auf ihrem Parteitag im Dezember beschlossen hatte. Dort war lediglich die Rede davon, die steuerliche Berücksichtigung von Kindern schrittweise auf die Höhe des Freibetrags für Erwachsene anzuheben. Um zu verstehen, was Weinberg fordert, ist es nötig, sich die Funktionsweise des Ehegattensplittings zu vergegenwärtigen.

Paare ohne Kinder würden weniger profitieren

Bisher wird das Einkommen der beiden Partner addiert und durch zwei geteilt. Für diesen Betrag wird die Steuerschuld ermittelt, anschließend wird dieser verdoppelt. „Davon profitieren Paare mit sehr hohen Einkommensunterschieden“, erklärt Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.

Weinberg schlägt vor, das Einkommen im Haushalt nicht mehr nur durch die Anzahl der Erwachsenen zu teilen, sondern die Kinder miteinzubeziehen. Dabei würden die Erwachsenen allerdings mit dem Faktor 0,8 zu Buche schlagen, Kinder mit dem Faktor 0,5. Das Einkommen eines Paares ohne Kinder teilt man dann nicht mehr durch zwei, sondern durch 1,6 – das heißt, der zu versteuernde Betrag ist höher. Das Einkommen von Paaren mit einem Kind würde durch 2,1 geteilt und das von Ehepartnern mit zwei Kindern sogar durch 2,6. „Wir wollen das Ehegattensplitting also nicht abschaffen. Es entstünde ein Teilsplitting, das Familien mit Kindern stärkt“, erklärt Weinberg. Er schlägt außerdem vor, analog zur Anhebung des Grundfreibetrages für Kinder das Kindergeld zu erhöhen. Dafür würde die Wahlmöglichkeit für den Kinderfreibetrag wegfallen.

"Gut wenn sich die Union auf den Weg macht"

Sowohl vom Koalitionspartner SPD als auch von der Opposition bekommt Weinberg Unterstützung für seinen Vorschlag. „Es entspricht unserem Ansatz, das Zusammenleben mit Kindern zu fördern“, sagt Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Linken. Zwar wolle die Linke – wie auch SPD und Grüne – das Splitting auch ohne Trauschein und eine Förderung für Alleinstehende, aber der Vorstoß der Hamburger CDU sei ein Schritt in die richtige Richtung. Carola Reimann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, sagt: „Gut, wenn die Union sich auf den Weg macht – besser spät als nie.“ Leider komme der Vorstoß bisher nur von der Großstadt-CDU. Reimann zweifelt daran, dass er in der Gesamtpartei mehrheitsfähig ist. „Ich fürchte auch, dass Herr Weinberg die Rechnung ohne Herrn Schäuble gemacht hat. Das kann zu erheblichen Mehrkosten führen.“ Franziska Brantner, die familienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, findet den Vorstoß trotzdem bemerkenswert: „Interessant, dass Familiensplitting in der Union kein Tabu mehr ist.“

Wie fördert man Kinder, nicht den Trauschein?

Weinberg steht mit seinem Reformwillen nicht allein da. Sein Kollege Kai Wegner, Großstadtbeauftragter der Union und Generalsekretär der Berliner CDU, spricht sich für ein Familiensplitting auch für unverheiratete Paare aus. „Die Frage ist: Wie kann man Kinder fördern und nicht den Trauschein? Man muss eben schauen, wie sich das finanzieren lässt“, sagte er dem Tagesspiegel. Auf seinen Wunsch hin hat das Finanzministerium errechnet, was ein Familiensplitting für alle kosten würde. Schäubles Ministerium kam auf zwölf Milliarden Euro jährlich. „Die Politik muss sich schlicht und ergreifend auf die Lebenswirklichkeit der Menschen einstellen“, sagt Wegner. Immer mehr Kinder würden außerhalb der klassischen Ehe geboren – besonders in Städten. „Deshalb müssen wir die Situation auch für Eltern ohne Trauschein und für Alleinerziehende verbessern.“

Weinberg hofft, dass sich sein Vorschlag auch im Wahlprogramm der CDU für die Bundestagswahl niederschlagen wird. Ihm sei klar, dass das Modell so gestaltet sein müsse, dass keine Mehrkosten entstehen. „Wenn bei den Verheirateten ohne Kinder Steuermehreinnahmen entstehen, können sie für die Verheirateten mit Kindern wieder ausgegeben werden.“ Das Modell solle ohnehin nur für zukünftige Ehen gelten. Alle anderen hätten die Wahl. In den nächsten Monaten will er die nötigen Gespräche mit seinen Unionskollegen führen.

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