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Steuerpolitik: Reich an Vermögen

Um die hohe Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen, schlagen die Grünen eine befristete Vermögensabgabe vor, die mehr als 100 Milliarden Euro bringen soll. Andere fordern sogar noch mehr. Warum?

Die Deutschen sind so reich wie nie – zumindest auf dem Papier. Laut Schätzungen von Allianz Global Investors stieg das private Geldvermögen in der Bundesrepublik im Jahr 2010 um 220 Milliarden auf 4,88 Billionen Euro. Statistisch gesehen besitzt jeder Deutsche damit im Schnitt 59 900 Euro. Im Vorjahr waren es 57 000 Euro. Dass das Vermögen der Deutschen wächst, ist keine neue Entwicklung: Lag es 1991 laut Bundesbank noch bei 1,93 Billionen Euro, sind es heute 2,95 Billionen Euro mehr.

Allerdings ist das Vermögen ungleich verteilt. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verfügen zehn Prozent der Haushalte über mehr als 60 Prozent des gesamten Vermögens. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung besitzen hingegen nichts oder nur sehr wenig.

Während das private Vermögen wächst und wächst, verschuldet sich der Staat immer mehr. Die Kluft geht seit vielen Jahren auseinander. Am Freitag lag die Staatsverschuldung laut Bund der Steuerzahler bei 1,718 Billionen Euro – eine Zahl mit 13 Ziffern. 1992 betrug die Verschuldung noch 707 Milliarden Euro, mehr als eine Billion weniger.

Die Grünen sind fest entschlossen, diese Kluft wieder zu verkleinern. Sie wollen Millionäre stärker zur Kasse bitten – und damit die Staatsschulden abbauen. Befristet auf zehn Jahre sollen die reichsten Deutschen 1,5 Prozent ihres jährlichen Nettovermögens an den Staat abführen. „Für Alleinstehende soll ein Freibetrag von einer Million Euro gelten, für Verheiratete von zwei Millionen“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin am Freitag auf der Klausurtagung der Partei in Weimar. Oberhalb dieser Grenzen soll die 1,5-prozentige Abgabe greifen. Mit dem Geld wollen die Grünen den Haushalt konsolidieren und die Kosten der Finanzkrise ausgleichen. Mehr als 100 Milliarden Euro sollen so in den nächsten Jahren in die Staatskassen gespült werden. Nach einem DIW-Gutachten wären bis zu 340 000 Menschen von der Abgabe betroffen.

Die „Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe“ geht sogar noch weiter. Für zwei Jahre fordert sie eine Abgabe von fünf Prozent auf hohe Einkommen. Anschließend solle die Vermögensteuer von einem Prozent wieder eingeführt werden. „Grundsätzlich begrüßen wir den Vorschlag der Grünen“, sagte der Berliner Peter Vollmer, einer der Unterzeichner des Appells, dem Tagesspiegel. „Wir freuen uns, dass das Thema diskutiert wird.“ Angesichts der enormen Vermögenskonzentration in Deutschland und des Haushaltsdefizits sei dies aber nicht ausreichend. Vollmer rechnet indes nicht damit, dass bald eine Regierung die Forderungen umsetzt. „Es wird erst etwas passieren, wenn der öffentliche Druck stark genug ist.“

Der Ruf nach mehr Solidarität und gesellschaftlicher Verantwortung der reichsten Mitbürger ist alt. Die SPD will die Vermögensteuer schon länger wieder einführen, auch für die Linke ist sie ein Kernanliegen. Dass die Wohlhabenden sich Abgaben und Steuern selbst auferlegen wollen, ist relativ neu. Die Initiative der Vermögenden startete Mitte 2009. Mittlerweile haben 50 Wohlhabende mit mehr als 500 000 Euro Vermögen den Appell unterschrieben. Vollmer sagt, Reichtum verpflichtet.

„Wir haben eine starke Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Auf der einen Seite gibt es Menschen, die nicht wissen, wo sie mit ihrem Geld hinsollen, und damit gesellschaftliche Probleme wie die Finanzkrise erst verursachen. Auf der anderen Seite haben wir Hartz IV und Elend.“ Der Vorteil einer Vermögensabgabe sei vor allem, dass diese zweckgebunden in Bereiche wie Umwelt, Bildung und Soziales fließen könnte.

Nicht jeder sieht das so. „Die von den Grünen vorgeschlagene Abgabe würde vor allem die Familienunternehmen belasten. Denn die brauchen dringend privates Kapital, um investieren zu können“, sagt Jochen Lüdicke, Steueranwalt bei der Kanzlei Freshfields in Düsseldorf. Wer etwas geben wolle, solle dem Staat das Geld lieber über Stiftungen zur Verfügung stellen.

Allerdings ist auch richtig, dass Vermögende in der Vergangenheit weitaus mehr Steuern zahlen mussten. Von 1975 bis 1989 lag der Spitzensteuersatz bei 56 Prozent. Bis 2006 fiel er immer weiter – zuletzt lag er bei 42 Prozent. Dann gab es eine kleine Korrektur nach oben: Am 29. Juni 2006 beschlossen Union und SPD im Bundestag, den Spitzensteuersatz für besonders hohe Einkommen zu erhöhen. Der Begriff „Reichensteuer“ machte die Runde. Alleinstehende mit einem Jahreseinkommen von mehr als 250 000 Euro sowie Eheleute mit mehr als 500 001 Euro müssen seit 2007 45 Prozent an das Finanzamt abführen. Wer unter der Grenze liegt, zahlt maximal 42 Prozent.

Im internationalen Vergleich besteuert Deutschland seine reichsten Bürger eher niedrig. Das Aufkommen sämtlicher vermögensbezogener Steuern beträgt laut DIW nur 0,9 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). Im Durchschnitt aller OECD-Länder liegt der Wert bei 1,9 Prozent. In Frankreich werden 3,4 Prozent des BIP an Besitzsteuern gezahlt, in Großbritannien sogar 4,5 Prozent.

Dazu kommt, dass die Reallöhne in den vergangenen zehn bis 15 Jahren konstant geblieben sind. „Nennenswerte Lohnzuwächse gab es nur bei den oberen zehn Prozent der Gesellschaft“, sagt DIW-Steuerexperte Stefan Bach. Die von den Grünen vorgeschlagene Abgabe würde zwar keine Riesensprünge bei der Haushaltskonsolidierung erlauben – es könnte aber ein kleiner Schritt sein, „um die soziale Symmetrie wiederherzustellen“.

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