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Finanzminister Wolfgang Schäuble.

© AFP

Steuerpolitik: Schäubles Vorschläge: Ohne Mehrwert

Finanzminister Schäuble hat ganz eigene Vorstellungen zur Steuerpolitik – vielen in den Koalitionsfraktionen gefallen die gar nicht.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Nein, ihm jetzt den Rücktritt nahezulegen, daran denkt niemand. Zumindest spricht das keiner in der Unionsfraktion aus. Nicht einmal hinter vorgehaltener Hand. Das Kanzlerinnenwort vom Frühsommer gilt auch für die Abgeordneten: Wann Wolfgang Schäuble geht, das bestimmt nur einer, nämlich Wolfgang Schäuble selbst.

Dass allerdings die Bilanz des Bundesfinanzministers nach zwölf Monaten Regierungszeit kein Anlass ist für die Mitglieder seiner Fraktion, ihn zu loben, diese Erkenntnis wird neuerdings offener ausgesprochen. Als Garant schwarz-gelber Konsolidierungspolitik mag Schäuble bisher die Erwartungen seiner Fraktionskollegen weitestgehend erfüllt haben. In der Steuerpolitik indes herrscht Unzufriedenheit. Und – was am schlimmsten ist – es sieht nicht so aus, als ob sich an diesem Zustand in naher Zukunft etwas ändern wird.

Deutlich sichtbar wird das spätestens kommenden Donnerstag werden. An diesem Tag wollen die Spitzen von Union und FDP über nicht weniger als drei zentrale steuerpolitische Vorhaben der Koalition sprechen: die Reform der Gemeindefinanzen, die Pläne zur Steuervereinfachung und die Reform der ermäßigten Mehrwertsteuersätze. Für alle drei Themen ist der Finanzminister zuständig. Und in allen drei Themen gibt es massive Unzufriedenheit. Und zwar nicht nur bei der FDP, sondern auch in Schäubles eigenen Reihen.

Besonders das Thema Gemeindefinanzen verärgert die Bundestagsfraktionen. Vergangene Woche wurden die Abgeordneten von Schäubles Plänen überrascht, den Kommunen in Zukunft die Hoheit über einen Teil der Einkommenssteuer direkt zu übertragen und ihnen sogar ein eigenes Hebesatzrecht einzuräumen. Und zwar nicht als Alternative zur Gewerbesteuer, sondern als zusätzliche Maßnahme zur Neustrukturierung der Einnahmebasis der Städte und Gemeinden. Ganz abgesehen davon, dass es die kommunalen Spitzenverbände bereits vorher abgelehnt hatten, über eigene Hebesatzrechte bei der Einkommensteuer zu sprechen und Schäubles Vorschläge damit von vornherein zum Scheitern verurteilt sind, hatte der Minister die Koalitionsfraktionen über seine Pläne nicht informiert. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger sprach prompt von „Überrumpelung“ und auch in der CDU sieht man das ähnlich. Dass es – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – zu einer echten Reform der Gemeindefinanzen kommen wird, scheint aussichtslos. Was vor allem die Liberalen, allerdings auch Teile der Union, einzig und allein Schäubles Verhandlungstaktik zuschieben.

Genauso wenig verspricht das Thema Steuervereinfachung zur Erfolgsstory von Schwarz-Gelb zu werden. Monatelang hatte Schäuble die zahlreichen Vorschläge der Koalitionäre zur Vereinfachung des Steuersystems kleingeredet und den Prozess nach deren Ansicht dadurch unnötig verzögert. Vor einigen Tagen schließlich legte der Minister 18 eigene Vorschläge vor, die die Steuerexperten von Bund und Ländern kurz darauf mit klaren Fragezeichen versahen. Ohnehin gab es unter den Vorschlägen „keinen einzigen, dessen Nutzen ich einem Normalbürger hätte erklären können“, wie ein erboster CDU-Abgeordneter sagt.

Und schließlich das Thema Mehrwertsteuer. Schäuble selbst hatte die Vereinfachung des Systems ermäßigter Steuersätze schon Anfang des Jahres als „politisch unergiebig“ markiert und heimlich still und leise zu den Akten legen wollen. Das allerdings wollen nicht nur die Liberalen nicht akzeptieren. Auch einige CDU-Abgeordnete haben für den Karlsruher Bundesparteitag kommende Woche einen Antrag vorbereitet, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz komplett abzuschaffen und den vollen Satz auf 16 Prozent zu reduzieren.

Dass der Antrag durchkommt, ist eher unwahrscheinlich. Allerdings wächst auch in der CDU der Unmut darüber, dass es nach einem Jahr schwarz-gelber Koalition kein einziges steuerpolitisches Thema gibt, mit dem die Koalition ihren Gestaltungswillen demonstrieren kann. Dass für rasche Steuersenkungen trotz Megaaufschwung der Wirtschaft kein Geld da ist, das versteht man. Nicht allerdings, dass der Finanzminister noch nicht mal mit Steuervereinfachungen punkten kann.

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