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Politik: Steuerreform: Sieben Tage auf Werbetour

Eine Woche lang hat die rot-grüne Bundesregierung jetzt Zeit, unter den Bundesländern für ihre Steuerreform zu werben, in denen die CDU an der Regierung beteiligt ist. "Die SPD wird in den nächsten Tagen alles dransetzen, die Bundesländer, insbesondere solche, in denen CDU und SPD eine Regierungskoalition bilden, zu einer Zustimmung zum Steuersenkungsgesetz am 14.

Eine Woche lang hat die rot-grüne Bundesregierung jetzt Zeit, unter den Bundesländern für ihre Steuerreform zu werben, in denen die CDU an der Regierung beteiligt ist. "Die SPD wird in den nächsten Tagen alles dransetzen, die Bundesländer, insbesondere solche, in denen CDU und SPD eine Regierungskoalition bilden, zu einer Zustimmung zum Steuersenkungsgesetz am 14. Juli im Bundesrat zu bewegen", kündigten der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt und der für Steuerpolitik zuständige Fraktionsvize Joachim Poß an. Gleichzeitig griffen die beiden Sozialdemokraten massiv den Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, an. Merz hatte als Verhandlungsführer der Union maßgeblichen Anteil an der Blockadehaltung der Union im Vermittlungsausschuss. Der Fraktionsvorsitzende, der früher Steuerexperte der Union im Bundestag war, lehnt den von Finanzminister Hans Eichel (SPD) geplanten Systemwechsel im Steuerrecht ab.

Eichel möchte das so genannte Vollanrechnungsverfahren bei der Körperschaftsteuer durch das neue Halbeinkünfteverfahren ersetzen. Was bedeutet das? Im alten, bislang gültigen Verfahren können Aktionäre die von der Kapitalgesellschaft gezahlte Körperschaftsteuer auf ihre individuelle Einkommensteuerlast anrechnen. Es ist, wie auch das Bundesfinanzministerium einräumt, "theoretisch ohne Zweifel das fortschrittlichere" System. Es hat aber einen zentralen Mangel, den Eichel in seiner Argumentation für den Systemwechsel immer wieder anführt. Es funktioniert, wenn es nicht in allen Staaten angewandt wird, nicht über die Grenzen hinweg. Das heißt, wenn deutsche Unternehmen an deutsche Anteilseigner Dividende zahlen, greift das System, wenn ausländische Unternehmen an deutsche Anteilseigner oder deutsche Unternehmen an ausländische Anteilseigner zahlen, greift es nicht. Hinzu kommt, dass die geplante Senkung der Körperschaftsteuer auf 25 Prozent mit diesem Verfahren 40 bis 50 Milliarden Mark mehr kosten würde - also praktisch wegen der angespannten Lage der Haushalte nicht zu bezahlen wäre.

Das Halbeinkünfteverfahren, das die rot-grüne Regierung nun einführen will, ist im Vergleich einfacher. Die beim Vollanrechnungsverfahren notwendige Anrechnung der von der Kapitalgesellschaft gezahlten Körperschaftsteuer wird pauschal dadurch vermieden, dass Anteilseigner nur die Hälfte der Dividende versteuern müssen. Es ist außerdem, wie Poß bekräftigt, "europafreundlich".

Eichel und die Koalition betrachten diesen Systemwechsel als Kernstück ihrer Reform und wollen dem Druck von Merz deswegen nicht nachgeben. Der CDU/CSU-Fraktionschef will es dagegen um fast jeden Preis kippen und hat dieses Thema zu Beginn des Vermittlungsverfahrens zum Hauptpunkt für die Opposition erklärt. Deshalb konnte er das Koalitionsangebot, zur Entlastung des Mittelstandes noch einmal fünf Milliarden Mark Steuerentlastung auf den Tisch zu legen, auch ohne Probleme ignorieren.

Der Bundestag wird dem Beschluss des Vermittlungsausschusses, der mit den Stimmen von Rot-Grün das Eichel-Konzept mit den im Verfahren angebotenen Nachbesserungen absegnete, an diesem Donnerstag mit der Mehrheit von SPD und Grünen vermutlich zustimmen. Im Bundesrat hofft die Regierung darauf, dass von den Ländern Bremen, Berlin, Brandenburg und Rheinland-Pfalz dieses Mal drei Länder zustimmen. Gelänge das, wäre die Reform beschlossen und Merzens Strategie gescheitert. Gelingt es nicht, müsste das Spiel im September erneut beginnen und ein zweites Vermittlungsverfahren eröffnet werden. Doch Poß und Schmidt zogen den Rahmen dafür am Dienstag in Berlin sehr eng. Die Koalition sei der Union bereits im ersten Verfahren "sehr weit entgegengekommen. Mehr ist nicht drin, will man nicht die Finanzen der Länder ruinieren."

Carsten Germis

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