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Ihr Auftritt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und der Wirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende Philipp Rösler nach der Verkündung der Beschlüsse im Kanzleramt.

© dpa

Steuersenkungsdebatte: Die Koalition redet sich stark

Die Koalition ist voller Stolz, sich beim Gipfel geeinigt zu haben. Kritik, Zweifel und Drohungen lassen sie kalt – zunächst jedenfalls.

Von Robert Birnbaum

Wenn Horst Seehofer in lautstarkes Lob verfällt, ist normalerweise etwas faul. „Besser hätte es nicht gehen können“, superlativt der CSU-Chef am Montag nach dem Koalitionsgipfel. „Ich bin mit jedem Punkt vollauf zufrieden!“ Doch diesmal ist kein Hintergedanke zu erkennen. Das Motto „Nach der Einigung ist vor dem Zank“, bisher sicheres Erkennungszeichen schwarz-gelber Beschlüsse, scheint vorläufig ausrangiert. Stattdessen geht es zu wie in einem geordneten Staatswesen: Die Regierung preist sich, die Opposition fällt über sie her.

Dabei sind, wie so oft, die Zwischentöne die interessanten, vor allem bei den Stellungnahmen zum zentralen Koalitionsbeschluss: der geplanten Steuersenkung. Im Prinzip müssen die Länder Veränderungen bei der Einkommensteuer billigen. Das gilt für die angepeilte zweistufige Anhebung des Grundfreibetrags ebenso wie für die Abmilderung der „kalten Progression“. Allerdings herrscht noch keine Klarheit, wie weit die Mitsprache des Bundesrates im zweiten Punkt geht, wenn der Bund – wie beschlossen – die Kosten dafür alleine trägt. Theoretisch wäre es denkbar, die Reform in zwei Teile zu spalten, von denen nur einer das Ja der Länder brauchen würde. Juristisch geprüft hat das aber noch keiner.

Sinnvoll wäre das. Denn die Koalition hat keine Mehrheit in der Länderkammer, und die Ablehnungsfront ist breit. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagt, sie könne sich nicht vorstellen, dass die sozialdemokratisch geführten Länder im Bundesrat zustimmen. Rote und grüne Bundes- und Landespolitiker lehnen die Steuerpläne unisono ab – von „unseriös“ und „irre“ ist die Rede, nicht gegenfinanziert sei „der letzte Rettungsanker für die sieche FDP“, wie Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen polemisiert, und in Zeiten der Euro-Schuldenkrise sowieso völlig unangebracht.

Böhrnsen bringt sogar das Verfassungsgericht ins Spiel, als „Ultima Ratio“. Wenn der Bund Steuergeschenke „zu Lasten Dritter“, der Länder und Kommunen, verteile, zerstöre er die Geschäftsgrundlage für die Schuldenbremse. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel mahnt die Regierung, „bei allen Steuerplänen die Verfassung einzuhalten“ – was freilich schon wieder etwas weniger scharf klingt als Gabriels Drohung mit dem Karlruher Gericht im Vorfeld der Koalitionseinigung.

Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Koalition sich für die eine Hälfte ihres Steuerplans eine listige Begründung ausgesucht hat: Der Teil des Entlastungspakets, der Länder und Gemeinden mit zusammen zwei Milliarden Euro wirklich betreffen würde, besteht in einer Anhebung des Grundfreibetrags. Den muss der Staat aber nach einem einschlägigen Urteil des Verfassungsgerichts sowieso regelmäßig an das Existenzminimum anpassen. Formal sind die nächsten Anpassungen für die Jahre 2012 und 2014 fällig.

„Die SPD kann gegen die Freistellung des Existenzminimums eigentlich nichts haben“, sagt denn auch der hessische Regierungschef Volker Bouffier (CDU). Selbst seine Kollegin Annegret Kramp- Karrenbauer aus dem klammen Saarland erklärt zwar, sie sehe „kaum“ Spielraum, einer solchen Reform zuzustimmen – gesteht aber ein, dem Verfassungsauftrag in Sachen Freibetrag könnten sich die Länder schlecht entziehen. Und auch das zweite Element der Koalitionseinigung, die Abmilderung der „kalten Progression“, begrüßt die Saar-Chefin grundsätzlich. Bouffier sagt es noch deutlicher: Wenn der Bund zahle, „gibt es in der Sache keinen Grund, weshalb man als Land dagegen sein könnte“.

Dass im Bundesrat Politik nicht nur streng nach Sache gemacht wird, weiß der Hesse allerdings auch. Der Freude der Bundes-Koalitionäre über sich selbst tut das vorerst keinen Abbruch. Einer freut sich ganz besonders: Philipp Rösler, FDP-Chef. Einen „Einstieg in mehr Steuergerechtigkeit“ nennt er das Paket. Dass die SPD den „mickrig“ findet, ficht den Freidemokraten nicht an. Nicht das Volumen sei wichtig, sondern das Verfahren: Künftig werde eine Gehaltserhöhung nicht mehr von Inflation und Staat gemeinsam aufgefressen, sondern ein Inflationsausgleich sichergestellt.

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