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Steuerskandal: Geständnis oder Haft

Die Bochumer Ermittler sind erfolgreich und haben keine Angst vor großen Namen - aber ihre Methoden sind auch umstritten.

Der Termin hätte nicht besser gewählt werden können. Am Tag nach der Razzia bei Postchef Klaus Zumwinkel hatte das nordrhein-westfälische Justizministerium zu einer Tagung in Bensberg bei Köln eingeladen, um über „Ethik und Werte“ in der Wirtschaft zu diskutieren. Der neue Münchener Erzbischof Reinhard Marx saß dort neben Generalbundesanwältin Monika Harms sowie dem renommierten Strafverteidiger Egon Müller auf dem Podium. Die illustre Runde hatte den Auftrag, über den „ehrbaren Kaufmann“ in der heutigen Zeit zu disputieren.

Ein Satz von Peer Steinbrück, der zeitgleich am Rande eines Wahlkampfauftrittes in Hamburg gefallen war, traf die Stimmungslage in Bensberg gut. „Es sind die Eliten, die das System zum Einsturz bringen“, hatte der Bundesfinanzminister gesagt, genau diese Gefahr sehen auch die Diskutanten in Bensberg. Egon Müller indes, der schon viele Größen der Wirtschaft vor deutschen Gerichten verteidigt hat, beleuchtete noch einen anderen Aspekt, der hinterher in der Pause um so intensiver debattiert wurde: „Es kann nicht sein, dass der Haftbefehl als Erpressungsinstrument genutzt wird.“

Bei dem Satz hatte natürlich jeder Teilnehmer der Runde im Ohr, dass die Ermittler bei Zumwinkel nach ihrer bewährten Taktik gearbeitet haben: Sie zeigten dem Betroffenen neben dem Durchsuchungs- auch den Haftbefehl, machten aber zugleich klar, dass sie den als Verhandlungsmasse betrachten. „Geständnis oder Haft“, lautet die einfache Formel der Ermittler, die ganz genau wissen, wie diese Drohung auf den Vorstandsvorsitzenden eines DAX-Unternehmens wirkt.

Auf diesem Feld haben sie reichhaltige Erfahrung. An Rhein und Ruhr existieren unzählige Geschichte über die harten Hunde aus dem Revier. Den Bochumer Staatsanwälten eilt nicht nur der Ruf voraus, besonders hohe Aufklärungsquoten bei Straftaten der Weiße-Kragen-Täter zu liefern. Strafverteidiger wie Egon Müller stöhnen stets auf, wenn man sie mit diesem Argument traktiert. Sie kommen sofort mit jenen Beispielen, die belegen sollen, dass die Ermittler gerne mal über das Ziel hinausschießen. Dass sie etwa für mediale Begleitung und bewegte Bilder – wie im Fall Zumwinkel – sorgen, ist dabei nicht einmal die Hauptkritik. Strafverteidiger berichten von Fällen, wo Delinquenten Geständnisse signiert haben, um aus der U-Haft zu kommen, obwohl sie die Taten objektiv nicht begangen hatten.

Nur selten werden solche Fragen Gegenstand einer juristischen Aufarbeitung. Bodo Hombach könnte darüber berichten. Der heutige Geschäftsführer der Essener WAZ-Gruppe, früher als Politiker zunächst für Johannes Rau, später für Gerhard Schröder tätig, baute sich als junger Mann Mitte der 80er Jahre ein Haus in seiner Heimatstadt Mülheim. Das geriet – wie manches in jener Zeit – eine Spur zu groß und sollte ihn später in finanzielle Turbulenzen reißen. Es dauerte nicht lange, bis Gerüchte auftauchten, er habe den mit 1,67 Millionen Mark teuren Bau nur deshalb fertig stellen können, weil ihm die Veba Immobilien dabei kräftig geholfen habe. Deren Chef landete 1999 im Gefängnis, der Bauleiter Hombachs auch. Er hatte bestritten, dass am Bau von Hombach verdeckte Hilfe geleistet worden war und dafür brachten ihn die Bochumer Staatsanwälte hinter Gitter. Ihr Verdacht: Meineid. Am Ende gab es einen Deal. Der Bauleiter gab zu, dass Hombach geschmiert worden war, er kam auf Bewährung frei. Erst im vergangenen Jahr kam in einem anderen Prozess eine andere Wahrheit ans Licht. Der Bauleiter gab zu, von den Bochumer Staatsanwälten zur Aussage gegen Hombach gedrängt worden zu sein. „Ich sah mich damals unter dem Druck der erlittenen Untersuchungshaft“, heißt das in seinen Worten.

Nun liegt der Fall Zumwinkel anders. Die Drohung mit der Haft und die Beweiskraft der vorgelegten Papiere hat ihn zu einem raschen Geständnis bewegt, das allenfalls die Fragen nach objektiver und subjektiver Schuld offen lässt, die den Verteidigern noch Spielraum für Verhandlungen gibt. Dennoch wurde in Bensberg die Frage kritisch beleuchtet, ob Ermittler mit der offensiven Medienbegleitung so vorgehen dürfen, wie es die Bochumer im Fall Zumwinkel getan haben. „Das war eine öffentliche Hinrichtung“, glaubt eine Staatsanwältin, die das jedoch nur sagt, wenn man ihr versichert, sie nicht zu zitieren.

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