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Steuerstreit mit der Schweiz: Ein Abkommen zwischen Abgeltung und Vergeltung

Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz bleibt eine Hängepartie – aber es gibt Bewegung. Die Regierung in Bern hat ein Zusatzprotokoll unterzeichnet. Nun ist die deutsche Seite am Zug.

Die Schweizer Regierung will den Weg zu einem Steuerabkommen mit Deutschland freimachen. Am Mittwoch beschloss das Kabinett in Bern, das Zusatzprotokoll zu dem Abkommen zu unterzeichnen. Das Vertragswerk soll den jahrelangen Streit um deutsches Schwarzgeld auf helvetischen Konten beenden. Schweizer Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder und harte verbale Attacken von beiden Seiten hatten den Konflikt in den vergangenen Tagen noch verschärft.

Kernstück des Abkommens ist die Abgeltungssteuer: Schweizer Banken ziehen von bestehendem Vermögen und zukünftigen Kapitalerträgen ihrer deutschen Kunden einen Steuerbetrag ab. Die Gelder fließen über die Schweizer Steuerbehörde an den deutschen Fiskus. Alles erfolgt anonym. Die deutsche Seite rechnet mit Summen um zehn Milliarden Euro. Immerhin türmen sich die nichtdeklarierten Gelder von Steuerpflichtigen aus der Bundesrepublik in Zürich, Basel, Genf oder Lugano schätzungsweise zu einem Betrag zwischen 130 und 180 Milliarden Euro auf. Die genauen Details der Vereinbarung sollen nach der Unterzeichnung des Dokuments – voraussichtlich am Donnerstag – bekannt werden.

Schweizer Banker hatten in den vergangenen Tagen in Bern für das Abkommen geworben – hartnäckig und diskret. Der Schweizer Bankenplatz könnte durch den Pakt seinen ramponierten Ruf erheblich aufbessern. Bislang machten die Geldhäuser immer wieder durch Hilfe für Steuerhinterzieher und korrupte Herrscher von sich reden. Ein Großteil der 2850 Milliarden Schweizer Franken, die Ausländer in dem Alpenland horten, stammt laut Schätzungen aus dunklen Kanälen oder ist unversteuert.

Durch das Abkommen mit dem Kernstück Abgeltungssteuer verschaffen sich die Bankiers auf elegante Weise eine weiße Weste. Die "Neue Zürcher Zeitung" formuliert es so: "Das Abgeltungssteuer-Konzept löst das Problem Altlasten, ,heilt’ gleichsam über Nacht alle Steuersünden der Vergangenheit und wahrt dabei erst noch die Anonymität der Kunden." Nicht zuletzt das aber missfällt in Deutschland der Opposition, SPD, Grüne und Linke blockieren daher die Zustimmung des Bundesrats zu dem Steuerabkommen. Sie sehen darin eine nachträgliche Straffreiheit für jahrelangen Steuerbetrug.

Nach den Plänen der Regierungen in Berlin und Bern soll das Abkommen Anfang 2013 in Kraft treten. Bis dahin könnten deutsche Steuersünder ihre Schwarzgelder auf Konten in Drittländern schleusen. Beim Schweizer Finanzministerium heißt es: "Eine vorzeitige Auflösung von Kundenbeziehungen lässt sich wegen der Freiheit des Kapitalverkehrs nicht verhindern." Nach Informationen von Oswald Grübel, der Chef der beiden größten Schweizer Geschäftsbanken UBS und Credit Suisse war, ziehen deutsche Kunden bereits Summen von ihren Schweizer Konten ab. "Bei den Banken konnte man feststellen, dass Abflüsse in europäische Länder und andere Regionen schon seit über einem Jahr stattfinden", verriet Grübel im Fernsehen.

Der Wirtschaftsfachmann Rudolf Strahm von den Schweizer Sozialdemokraten ergänzte: Die Banken helfen ihren verängstigten Kunden, einen neuen sicheren Hafen außerhalb der Schweiz zu finden. Dabei muss die betuchte Klientel in der Regel nicht die Bank wechseln: Die führenden Häuser aus Zürich und Genf unterhalten Dependancen in vielen Steuerparadiesen rund um den Globus. Die Kapitalflucht aus der Schweiz in ein neues Steuerparadies könnte die Hoffnungen des deutschen Fiskus auf Milliardeneinnahmen somit zunichte machen.

Kritiker bleiben skeptisch

Das dämpft die Bedenken der Kritiker in Deutschland nicht. Nach den Vorstellungen von SPD und Grünen darf es keine Übergangsfristen geben, "die es Steuerhinterziehern erlauben würden, ihr Geld rechtzeitig in andere Steuer-Oasen zu transferieren", sagt beispielsweise Grünen-Chef Cem Özdemir. Der Vorschlag lautet, dass das Abkommen rückwirkend gelten muss, was wohl darauf hinausläuft, dass deutsche Behörden auch an Kontendaten aus der Zeit seit den ersten Unterschriften zu dem Abkommen im vorigen August kommen können. Damit würden Steuerflüchtige erkennbar – so sie nicht schon lange zuvor ihr Geld aus der Schweiz abzogen.

Immerhin ist die Schweiz offenbar gegenüber den ersten Vereinbarungen der deutschen Opposition entgegengekommen. Die Höhe des einmaligen Abschlags auf das Anlagevermögen wurde nach oben gesetzt, von 21 bis 41 Prozent je nach Einzelfall statt zuvor 19 bis 34 Prozent ist die Rede. Und auch wenn nicht klar ist, ob sich die Milliarden in der erhofften Höhe auch einstellen werden, dürfte die Aussicht auf mehr Geld im Etat den Widerstand in den deutschen Ländern schwächen. Denn da das Abkommen auch regelt, dass Erbschaftsteuer auf Vermögen in der Schweiz erhoben wird (eine reine Ländersteuer), dürften die Landesetats stärker profitieren als der Bund. Und noch eines würde geregelt: die Straffreiheit für deutsche Beamte, die in den Ankauf von Bankdaten deutscher Kunden von Schweizer Banken beteiligt waren. Gegen drei Beamte aus Nordrhein-Westfalen liegen Haftbefehle vor – die würden sich dann wohl erledigen.

Den Düsseldorfer Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) ficht das aber nicht an. Das würde nur um den Preis geschehen, dass die deutschen Behörden dann auf den weiteren Ankauf von Daten-CDs verzichten müsste – "und das mache ich nicht mit". Die Haftbefehle schrecken Borjans nicht. "Die wollen die Fahnder verunsichern", urteilt er. Die deutsche Justiz hat die Anklagepapiere der Schweizer mittlerweile durchleuchtet. Auf 32 Seiten versuchen die Bundesanwälte, die deutschen Fahnder zu diskreditieren und ihre Arbeit zu kriminalisieren. Sie sollen sich, so das Fazit in der dem Tagesspiegel vorliegenden Verfügung, "strafbar gemacht haben, indem sie aktiv ergänzende Informationen zu den Bankkundendaten aus der Schweiz verlangten". "Gehilfenschaft zum wirtschaftlichen Nachrichtendienst" sowie Verletzung des Bankgeheimnisses lauten die Vorwürfe.

Die Argumente der Schweizer beruhen wohl weitgehend auf dem Geständnis des Datendiebs, der im Dezember im Rahmen eines Deals ein günstiges Urteil mit einer zur Bewährung ausgesetzten zweijährigen Haftstrafe bekommen hat. Der Angestellte der Bank Credit Suisse hatte offenbar 2007 begonnen, Kundendaten abzuschreiben und aufzulisten. Über einen österreichischen Mittelsmann, der sich später in der Schweizer Haft erhängte, gingen die Daten ab 2008 an die NRW-Steuerfahnder. Der Bankangestellte selbst hat nie Kontakt mit deutschen Fahndern aufgenommen.

In der Tat treffen die sich an wechselnden Orten mit dem Mittelsmann, sie prüfen die Daten des Credit-Suisse-Bankers und sind erst nach einiger Zeit davon überzeugt, wirklich werthaltige Informationen zu bekommen. Am Ende flossen 2,5 Millionen Euro an die beiden Datendiebe, die sich damit in der Schweiz strafbar gemacht hatten. Über diese Zeit wissen die Schweizer nur, was ihnen der Bankangestellte als Kronzeuge erzählt, der seine Rolle erkennbar herunterspielt. In den Akten der Schweizer finden sich jenseits seiner Hinweise keine wirklich belastenden Beweise gegen die Deutschen.

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