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Vom Baulöwen zum Präsidenten. Die Bulgaren haben Rossen Plewneliew zum Staatsoberhaupt gewählt. Vor seiner politischen Karriere hatte er sich als Bauunternehmer in Deutschland niedergelassen.

© dpa

Stichwahl: Konservative gewinnen Präsidentenwahl in Bulgarien

Der neue Amtsinhaber Rossen Plewneliew muss seine Unabhängigkeit noch beweisen. Auch ist er bisher eher als Technokrat aufgefallen, denn als Politiker.

Als strahlender Sieger winkte Rossen Plewneliew am Sonntagabend den Wahlbeobachtern zu, die im Nationalen Kulturpalast von Sofia versammelt waren. Soeben hatte Plewneliew in Bulgarien die Stichwahl um das Präsidentenamt für sich entschieden. Doch die Show stahl ihm ein anderer: Ministerpräsident Boiko Borissow, dessen bürgerliche Regierungspartei Gerb den unabhängigen Kandidaten Plewneliew ins Rennen geschickt hatte, erklärte ungefragt, dass er in fünf Jahren nicht für das Präsidentenamt kandidieren werde. Diese Klarstellung war angebracht. Schließlich hatte Borissow Anfang September noch erklärt, sich 2016 selbst um das Amt des Staatsoberhaupts bewerben zu wollen. Damit war bei der Kür Plewneliews zum Präsidentschaftskandidaten der Verdacht aufgekommen, er werde lediglich der Erfüllungsgehilfe des Regierungschefs sein.

Der Ausgang der Präsidentenwahl war knapp. Bei einer geringen Wahlbeteiligung von 48 Prozent erhielt Plewneliew, der vor der Kandidatenkür unter Borissow Minister für regionale Entwicklung gewesen war, 52,5 Prozent der Stimmen. Sein Kontrahent, der Sozialist und Ex-Außenminister Iwailo Kalfin, kam auf 47,4 Prozent. Trotz des knappen Ergebnisses gilt die konservative Regierungspartei Gerb vor allem auch wegen des guten Abschneidens bei den Stichwahlen um die Bürgermeisterämter in mehreren Großstädten als eindeutiger Wahlgewinner. Borissows Partei hält nun mit dem Parlamentsvorsitz, dem Amt des Ministerpräsidenten, den Bürgermeistern in der Hauptstadt Sofia und den meisten großen Städten sowie dem Präsidentenamt die ganze Macht im Staat in ihrer Hand.

Viele Beobachter sehen die große Machtfülle der Gerb-Partei kritisch. Als Staatspräsident wird Plewneliew zeigen müssen, ob er aus dem Schatten des charismatischen Ministerpräsidenten Borissow heraustreten und sein Versprechen erfüllen kann, „ein unabhängiger Präsident“ zu sein, der „Tag und Nacht für ein modernes Bulgarien arbeitet“.

Als Minister hat Plewneliew stets betont, „ein Experte, kein Politiker“ zu sein. Die Sofioter würden im Sommer 2012 über die endlich vollendete Autobahn Trakia ans Schwarze Meer fahren, so lautete das grundlegende Versprechen, das er bei seiner Ernennung zum Minister im Sommer 2009 seinem Regierungschef gegeben hatte. Den Autobahnbau hatte Borissow neben der Bekämpfung der Korruption und der Organisierten Kriminalität zur obersten Priorität erklärt.

Lesen Sie auf Seite 2, wie sich Plewneliew zu der Welle von Anti-Roma-Kundgebungen äußerte, die sich im Wahlkampf ereignete.

Nachdem der Technokrat Plewneliew seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten bekannt gab, hatte er sichtbar Anpassungsschwierigkeiten. Er stellte während des Rennens um das Amt, das vor allem eine repräsentative Funktion hat, kaum staatsmännische Qualitäten unter Beweis. Als Ende September Bulgarien von einer Welle von Anti-Roma-Kundgebungen heimgesucht wurde, schwieg Plewneliew lange. Anschließend gab er zu Protokoll, die Bulgaren würden sich für die Proteste gar nicht interessieren.

Plewneliew wurde 1964 in eine Lehrerfamilie im Städtchen Gotse Deltschew an der griechischen Grenze geboren. Er sei „der beste Mathematikschüler seiner Klasse“ gewesen, verriet er zu Beginn der Wahlkampagne. 1989 hatte er ein Informatik-Studium abgeschlossen und anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Sofia gearbeitet. Nach der Wende des Jahres 1989 musste Plewneliew diese Tätigkeit beenden und den Sprung ins kalte Wasser wagen – er wurde Bauunternehmer. Mit seiner Firma Iris International war er in den Neunzigerjahren in Deutschland als Subunternehmer der bekannten Trockenbaufirma Lindner AG an mehreren Dutzend Bauvorhaben beteiligt.

„Ich habe 1990 in Deutschland einen Kredit von 12 000 D-Mark aufgenommen und in einer Nacht verbraucht, weil ich Übernachtungsmöglichkeiten und Werkzeuge für meine 24 Arbeiter besorgen musste. Ich selber habe drei Monate auf Parkplätzen im Auto genächtigt“, schildert Plewneliew jene Gründertage. Nach Daten des bulgarischen Rechnungshofs hatte ihn sein Unternehmen mit einem Millionenvermögen und einem ansehnlichen Immobilienbesitz zum reichsten Minister in Borissows Regierung gemacht.

Seine Rückkehr nach Bulgarien begründet Plewneliew mit den Worten, dass ihm das Leben in Deutschland zu geregelt erschien. In Sofia verwirklichte er im Auftrag der Lindner AG ein Bauprojekt mit mehreren modernen Bürogebäuden, den „Sofia Business Park“. An den Bürokomplex schließt sich am Fuße des Vitoscha- Gebirges eine geschlossene Wohnsiedlung an, wo Plewneliew mit seiner Frau und drei Söhnen lebt. Dort will er auch als Staatspräsident wohnen bleiben.

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