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Politik: „Stilnoten kann man später verteilen“

Grünen-Chef Bütikofer kritisiert die Zusagen des Kanzlers in China und will gegen den Atomexport kämpfen

Wann haben Sie erfahren, dass Siemens die Hanauer Plutoniumfabrik an China verkaufen möchte?

Diese Plutoniumfabrik ist schon vor drei Jahren Gegenstand einer heftigen Diskussion bei einem grünen Bundesparteitag gewesen. Damals ging es noch um die Frage, ob die Hanauer Fabrik nach Russland verkauft werden sollte. Konkret von dem Chinageschäft habe ich erst in allerletzter Zeit erfahren.

Wann genau?

Mit dem Besuch des Kanzlers in China.

Der Kanzler behauptet, die Hanauer Fabrik werde in China nur zivil genutzt. Aber hat nicht jede Anlage, in der Plutonium verarbeitet wird, Relevanz für die Waffenproduktion?

Ich habe mich darüber gewundert, dass der Kanzler sagt, diese Anlage habe mit der Produktion von waffenfähigem Material gar nichts zu tun. Das entspricht nicht meinem Kenntnisstand. Unmittelbar kann man mit der Anlage kein waffenfähiges Plutonium produzieren. Die Anlage kann Mischoxid- Brennelemente herstellen, bei diesem Prozess kann vorhandenes waffenfähiges Plutonium sogar vernichtet werden. Aber die Anlage kann auch Brennelemente für den so genannten Brüterkreislauf herstellen, die dann in einem schnellen Brüter waffenfähiges Plutonium ergeben würden. Insofern ist das mit Sicherheit nicht nur atompolitisch eine hoch brisante Frage, sondern hat auch eine militärische Dimension. Man kann diese Proliferationsproblematik nicht ausklammern.

Deutschland hätte ja auch noch einen nie genutzten schnellen Brüter anzubieten …

Jetzt wird’s ja ganz lustig!

Darüber ist Ihnen aber noch nichts bekannt?

Es ist mir nichts darüber bekannt. Tatsache ist aber, dass im Moment noch unklar ist, was die Chinesen mit der Hanauer Anlage vorhaben. Denn sie haben weder eine unmittelbare Verwendung auf dem Weg der Brüter-Technologie, über die sie derzeit noch nicht verfügen. Noch haben sie eine unmittelbare Verwendung für Mischoxid-Brennelemente, die Plutonium enthalten und mit der Hanauer Fabrik hergestellt werden könnten. Kritische Fragen dazu können nicht mit dem Hinweis abgetan werden, es handle sich um reine Symbolpolitik. Diese kritischen Fragen müssen von allen Seiten außerordentlich ernst genommen werden. Entweder sie werden befriedigend beantwortet oder das Geschäft scheitert daran.

Deutschland will auch immer noch aus der Atomkraft aussteigen, oder?

Wir Grüne tun nach wie vor alles uns Mögliche, um den Atomausstieg voranzutreiben. Die Ehrlichkeit gebietet es allerdings, jetzt nicht so zu tun, als könnten wir garantieren, das Hanau-Geschäft zu verhindern. Aber die rechtlichen und politischen Möglichkeiten, die gegeben sind, wollen wir voll ausschöpfen. Es geht schließlich nicht um ein Drei- Männer-Geschäft zwischen Gerhard Schröder, Jürgen Trittin und Joschka Fischer. Es geht um eine Angelegenheit, die zwischen SPD und Grünen vernünftig geklärt werden muss. Allerdings macht die aktuelle Debatte noch einmal deutlich, dass wir mit dem Thema Atomausstieg noch lange nicht fertig sind. Es wird Hindernisse und Rückschläge geben. Aber wir müssen energisch dran bleiben, sonst kippt alles wieder.

Hätten Sie sich nicht von den beiden bereits früher informierten grünen Ministern, Außenminister Fischer und Umweltminister Trittin, einen Hinweis gewünscht? Womöglich vor dem Dresdner Parteitag?

An der Diskussion beteilige ich mich jetzt nicht. Stilnoten kann man später verteilen. Jetzt geht es um die Sache. Ich hoffe, dass unser Koalitionspartner wirklich gut versteht, wie wichtig diese Fragen sind. Das ist keine Gefühligkeit, die man ignorieren könnte. Zumal dieser Hanau-Vorstoß nicht nur für sich selbst genommen Fragen aufwirft. Auch der zeitliche Zusammenhang mit den Äußerungen des Bundeskanzlers zu einer möglichen Aufhebung des Waffenembargos gegen China und zu der Absicht, für ein neues Atomkraftwerk in Finnland eine Hermes-Bürgschaft zu genehmigen, macht die Lösung des Konflikts schwerer.

Welche Möglichkeiten zur Einflussnahme haben die Grünen denn noch?

Verschiedene. Zunächst muss die Frage eines Exports der Hanauer Atomfabrik nach Recht und Gesetz geprüft werden. Da es sich um eine Anlage handelt, die einer Zweifachverwendung zugänglich ist, also einer zivilen wie einer militärischen Nutzung, ist das Außenwirtschaftsgesetz berührt. Das hat unmittelbar Konsequenzen, denen sich die Regierung stellen muss. Was die Frage der Export-Bürgschaft für Finnland betrifft, haben grüne Europaabgeordnete die Kommission bereits aufgefordert, zu prüfen, ob das mit den Binnenmarkt-Regeln überhaupt vereinbar ist. Das ist eine offene Frage. Im Übrigen gibt es noch keine Hermes-Zusage. Was die Frage des Waffenembargos betrifft: Das hat mich verwundert vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen chinesischen Drohungen gegen Taiwan. Da würde ich in aller Ruhe sagen, über das EU-Waffenembargo entscheidet die EU. Ich glaube, dass die Europäer mit sehr viel Zurückhaltung daran gehen sollten, diese Frage zu diskutieren. Doch selbst wenn es dieses EU-Embargo nicht gäbe, müssten in Deutschland dennoch die Waffenexportrichtlinien eingehalten werden. Die würden derzeit eine Lieferung von Rüstungsgütern an China untersagen.

Die Ein-China-Politik ist in Deutschland kaum umstritten. Aber warum hat der Kanzler so klar gegen Taiwan Position bezogen?

Nach den Motiven des Kanzlers muss man ihn selbst befragen. Die Ein-China-Politik halte ich auch für absolut richtig. Da muss man keine Abstriche machen. Aber ob man Verständnis äußert für die aktuelle Taiwan-Politik Chinas, die unter anderem kriegerische Drohungen einschließt, das gehört auf ein anderes Blatt Papier. Und da muss ich offen sagen: Dieses Verständnis fehlt mir noch.

Das Interview führte Dagmar Dehmer.

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