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Wahlhelfer _ Clinton Freeman

© Matthes Blank

Stimmungsbarometer: Auf den Straßen von New York

New York wählt traditionell demokratisch. Im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur scheiden sich aber die Geister. Inhalte zählen nicht mehr.

Unter den Schwärmen von Berufspendlern in den zentralen U-Bahn Stationen von New York fallen in diesen Tagen insbesondere die in blau gekleideten Wahlhelfer der Demokraten auf, die das hektische Durcheinander durch ihr direktes Auftreten irritieren. Es sind Menschen unterschiedlichsten Alters, verschiedenster sozialer und ethnischer Herkunft, die hier über das Internet organisiert den morgendlichen Pendlern Wahlprogramme von Hillary Clinton oder Barack Obama in die Hand drücken. Sie geben detailliert Auskunft zu einzelnen Themen oder unterstützen ihre Kandidaten einfach durch ihre Präsenz.

New York ist einer von rund zwei Dutzend Bundesstaaten der USA, in denen am so genannten Super Thuesday gewählt wurde. Diese Delegierten vertreten einen Präsidentschaftskandidaten, der in einfacher Mehrheit auf den Parteitagen beider Großparteien im Spätsommer dieses Jahres offiziell nominiert wird.

John Edwards war bereits vor seinem schlechten Abschneiden bei den Vorwahlen in Florida von den New Yorkern als willkommene dritte Kraft betrachtet worden. Die New Yorker, deren Mehrheit traditionell liberal wählt, stehen damit vor einer historisch einmaligen Aufgabe. Sie müssen zwischen einer Präsidentschaftskandidatin mit langjähriger politischer Erfahrung und einem politischen Newcomer, der einen Großteil der afroamerikanischen Bevölkerung repräsentiert, entscheiden.

New York Times schreibt für Hillary Clinton

Die Medien haben das bereits früh getan. Am 25. Januar haben sich die Editoren der New York Times (www.nyt.com) für Hillary Clinton als Favoritin dieser Wahl ausgesprochen. Zwar seien beide Kandidaten dazu geeignet, das weltweit durch George W. Bushs plumper Regentschaft geschädigte Image Amerikas wieder instand zu setzen, so die Autoren, das Ausmaß der sozialen und ökonomischen Probleme des Landes verlange jedoch sofortige kompetente Lösungen, für die Hillary aufgrund ihrer politischen Erfahrung besser qualifiziert sei.

Die New York Post (www.nypost.com) hält fünf Tage später in ihrer bereits auf dem Titelblatt angekündigten Unterstützung für Barack Obama dagegen, dass sie zwar nicht in allen Punkten mit seinem Wahlprogramm übereinstimme, er aber ein intelligenter Mann sei, wie er es in der Vergangenheit durch seine Fähigkeit als Schlichter und Friedensstifter unter Beweis gestellt habe. Zudem repräsentiere er einen Neustart in der amerikanischen Politik.

Damit berührt das  Boulevardblatt einen wichtigen Punkt in der gegenwärtigen amerikanischen Politik. Denn einen Neuanfang in Washington wünschen sich nicht nur die New Yorker, sondern die meisten Amerikaner. "Jeder ist besser als Bush," ist die spontane Antwort des 46-jährigen Demokraten Jim aus New Jersey als er nach seinem Favoriten gefragt wird. Dies, so fügt er hinzu, gelte sogar für die Kandidaten der Republikaner.

Innenpolitik bestimmt den Wahlkampf

Diese Einstellung der Amerikaner zu ihrem amtierenden Präsidenten spiegelt sich auch in dem enormen Erfolg des Wortes "Change", Veränderung, wieder. Ursprünglich von den Wahlkampfstrategen Barack Obamas ins Spiel gebracht, hat es in den vergangenen Monaten einen Aufstieg  erlebt.

Es sind vor allem die innenpolitischen Themen, die die Menschen in der größten nordamerikanischen Stadt bewegen. Die Turbulenzen der Wirtschaft, die Kreditkrise auf dem heimischen Wohnungsmarkt und die Angst vor einer Rezession stehen dabei im Vordergrund. Nie zuvor, so die 52-jährige Krankenschwester Elma, habe sie eine derartige Angst der Menschen vor der ökonomischen Entwicklung ihres Landes erlebt. "Und das spüren wir vor allem auch im Gesundheitswesen", ergänzt die Frau aus Brooklyn. "Immer mehr Menschen können sich keine Krankenversicherung leisten, viele gehen nicht zum Arzt wenn sie krank sind, weil sie Angst vor den hohen Rechnungen haben."

Veränderung wünschen sich die New Yorker ebenfalls bei den horrenden Mieten sowie der Ausbildung. Jessica, allein erziehende Mutter aus Harlem, beschreibt ihre Erwartungen an ihren Favoriten Obama: "Für mich ist es am wichtigsten, dass ich nicht wie meine Tante, aus meiner von der Stadt gestellten Wohnung ausziehen muss. Eine andere könnte ich mir nicht leisten. Außerdem möchte ich meinem Sohn eine gute Ausbildung ermöglichen. Mit den jetzigen Collegepreisen ist das aber nicht machbar."

Persönlichkeit ist alles, was am Ende zählt

Was den Zweien an klarer inhaltlicher Abgrenzung fehlt, versuchen sie durch die Betonung persönlicher Unterschiede wettzumachen. Die dabei bemühten Mittel gehen über den Dialog weit hinaus und beinhalten persönliche Attacken auf den politischen Gegner - auch Enthüllungen aus dem Privatleben der Einzelnen. Eine wichtige Rolle für die Akzeptanz spielt zudem die Unterstützung berühmter Politiker und öffentlicher Personen für einen der Demokraten.

Während Obamas Kandidatur von dem unter den Anhängern der Demokraten als Ikone geltenden Senator Edward M. Kennedy offiziell unterstützt wird, hält Clinton dagegen, dass sie dessen Kinder auf ihrer Seite habe. In den letzten Tagen schien sich jedoch die Aufmerksamkeit der New Yorker insbesondere auf die unterschiedliche politische Erfahrung zwischen der ehemaligen First Lady und dem vierzehn Jahre jüngeren Senator aus Illinois zu richten. "Zugegeben, Clinton hat sicher mehr Erfahrung in der amerikanischen Politik als Obama, trotzdem wünsche ich mir, dass Obama gewinnt. Für mich steht er für Ehrlichkeit und Inspiration", sagt der 63-jährige Eliezer aus Manhattan. "Kennedy war auch jung, als er ins Amt gekommen ist."

Matthes Blank

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