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Politik: Stimmungswechsel – Wechselstimmung

In Umfragen droht US-Präsident Bushs Republikanern jetzt sogar der Verlust der Kongressmehrheit

Der Feiertag „Labour Day“ am ersten Montag im September markiert das Ende der Ferien in den USA. Heute beginnt die neue politische Saison. George W. Bush hatte einen weiteren Sommer des Missvergnügens. 2005 verdarben ihm Hurrikan „Katrina“ und die Proteste der Soldatenmutter Cindy Sheehan gegen den Irakkrieg vor seiner Ranch in Texas die ersten großen Ferien nach der Wiederwahl. 2006 blieben solche Fernsehbilder aus. Doch kündigt sich ein politisches Erdbeben an: der Verlust der Kongressmehrheit bei der Wahl am 7. November. In neuen Umfragen sehen führende Beobachter die Chance zum Machtwechsel.

Die Wechselstimmung hat sich schleichend über den Sommer ausgebreitet, sie lässt sich an keinem herausragenden Ereignis festmachen. Unzufrieden mit Bush waren die Amerikaner schon lange, und doch hatten die Demokraten vor den großen Ferien nicht so recht davon profitieren können. Auf vielen Einzelgebieten sprachen die Bürger ihnen größere Kompetenz zu: von der Gesundheitsvorsorge über die Bildung bis zum Umweltschutz. Aber in zwei Kernbereichen blieben die Republikaner vorn. Wer schützt die USA besser vor neuem Terror? Und wer nutzt die politische Macht effektiver? Zur Strategie des Weißen Hauses gehört es, die Angst vor neuen Anschlägen wachzuhalten und sich als einzige Kraft darzustellen, die Sicherheit garantieren kann.

Beim Thema Irak sind die gespaltenen Gefühle der Amerikaner besonders sichtbar. Eine klare Mehrheit hält den Krieg heute für einen Fehler. Aber einen raschen Abzug wollen die meisten Bürger nicht. Als Feiglinge, die vor den Problemen davonlaufen, verspotten Republikaner jene Demokraten, die ein Abzugsdatum verlangen. Bushs Mehrheit im Kongress werde schrumpfen, aber nicht kippen: So lauteten die Prognosen für die Kongresswahl noch im Juli.

15 Sitze mehr (von 435) bräuchten die Demokraten im Abgeordnetenhaus und sechs (von 100) im Senat. Das klingt nach wenig, und ist doch schwierig. In den meisten Regionen sind die Mandate fest in republikanischer oder in demokratischer Hand. Nur in wenigen Wahlkreisen gibt es genug Wechselwähler. Dort wackeln aber nicht nur republikanische Amtsinhaber, sondern mancherorts auch Demokraten. Vor dem Sommer hatte Stuart Rothenberg, ein Guru unter den politischen Beobachtern in Washington, den Demokraten einen Zugewinn von acht bis zwölf Mandaten vorhergesagt. Jetzt prognostiziert er 15 bis 20 – gerade genug für den Machtwechsel im Abgeordnetenhaus. Den Senat sehen die Beobachter weiter in republikanischer Hand.

Der Kampf konzentriert sich auf wenige Staaten: Pennsylvania, Ohio, Indiana, Missouri, Minnesota. Dort bewegen jeweils unterschiedliche Themen: hier Jobs und Benzinpreise, dort die Gesundheitsvorsorge, da Korruption und politische Ethik. Überall wird es auf „die zwei Ts“ ankommen: Terror und Turnout (Wahlbeteiligung). Die Angst wählt im Zweifel republikanisch. 60 Millionen Dollar wollen die Republikaner ausgeben, um ihre Wähler an die Urnen zu bringen. Doch diesmal liegen die Demokraten bei den Wahlspenden fast gleichauf. Und die heiße Phase beginnt jetzt erst.

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