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Politik: Stolperfalle Hamburger Wahlrecht Erstmals neue Regeln

Gastauftritt von Ypsilanti

Eines der letzten Worte im hamburgischen Wahlkampf hatte am Freitagabend Andrea Ypsilanti. Bei ihrem Auftritt zum Wahlkampfabschluss der Hamburger Genossen bekräftigte sie noch einmal, dass sie auf eine Ampel mit der FDP setze. Zur Frage, ob sie sich mit Linken-Stimmen der Linken wählen lassen würde, sagte Ypsilanti nichts.

Während die Hamburger SPD dem Vernehmen nach sauer nach Berlin schaut, weil Parteichef Beck im Fall Hessen die Anti-Linke-Linie aufweicht und so die eigene Glaubwürdigkeit in Gefahr ist, dürften Hamburgs Wähler am Wahlsonntag noch ein anderes Problem haben: Diesmal ist erstmals Panaschieren und Kumulieren möglich und mit einer fast eine Million Euro teuren Werbefeldzug „Wirf deine Stimme nicht weg“ wird längst dafür geworben, nicht nur am Sonntag zur Bürgerschaftswahl zu gehen, sondern auch die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Damit sie auch alle verstehen, hat jeder Wahlberechtigte ausführliche Erläuterungen ins Haus geschickt bekommen – alles auf 36 Seiten. Maximal zwölf Kreuze darf jeder machen. Damit hat er dann zur Bürgerschaft und der jeweiligen Bezirksversammlung gewählt.

Die Befürchtung, dass sich viele Wähler von einem bunten Stimmzettelpaket abschrecken lassen und gar nicht erst an der Wahl teilnehmen, ist nicht von der Hand zu weisen. Experten rechnen auch damit, dass der Anteil ungültiger Stimmen wachsen dürfte, weil sich manch ein Hamburger im neuen Wahlrecht verheddert. Das wurde durch einen Volksentscheid im Juli 2004 auf den Weg gebracht. Ein jetzt personalisiertes Verhältniswahlrecht – übrigens bundesweit bei Landtagswahlen so noch nicht zum Einsatz gekommen – ermöglicht eine direktere Mitbestimmung über die Sitzverteilung, die bisher durch die von den Parteien aufgestellte Listenreihenfolge weitgehend festgelegt war. Jetzt sind je eine Stimme für die Landes- und Bezirksliste bestimmt, jeweils fünf weitere für die Wahlkreislisten zur Bürgerschaft beziehungsweise zur Bezirksversammlung. Dabei kann man alle Stimmen auf eine Partei vereinen (kumulieren) oder auf mehrere Bewerber aufteilen (panaschieren).

Von den 121 Parlamentssitzen werden 50 durch das Abschneiden der Parteien am Sonntagabend namentlich feststehen – die führenden Listenplätze. Die Auszählung für die 71 Direktmandate der Wahlkreise geschieht erst in den Folgetagen. Da ist dann auch mit Überhang- und Ausgleichsmandaten zu rechnen, die die Sitzzahl im Rathaus noch nach oben schrauben. Sogar eine Partei, die die Fünf-Prozent-Hürde nicht nimmt, könnte durch Direktmandate Zünglein an der Waage werden. Der Wahlrechtsexperte der Grün-Alternativen Liste (GAL), Farid Müller, rechnet daher „mit so vielen Wahlanfechtungen wie noch nie“.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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