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Chefankläger. Der argentinische Jurist Luis Moreno-Ocampo.

© Reuters

Strafgerichtshof: Eine Instanz in Den Haag

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat noch keinen einzigen Fall abgeschlossen. Und doch dient er inzwischen als Drohkulisse gegen gewissenlose Machthaber. Nun ermittelt er auch in Libyen.

Berlin - Die Rufe nach dem Einschreiten des Internationale Strafgerichtshofs (IStGHs) haben im Falle Libyens schon begonnen, nachdem Staatschef Muammar al Gaddafi brutal gegen sein Volk vorging. Auch in Ägypten war zuvor schon ein Einschreiten des Weltgerichts gefordert worden. Weder Libyen noch Ägypten unterfallen jedoch der Jurisdiktion des IStGH, beide haben nicht das Statut von Rom unterzeichnet, auf dessen Grundlage das Gericht tätig wird. Deshalb konnte der sudanesische Präsident Omar al Bashir in der Vergangenheit auch unbehelligt nach Ägypten reisen, obwohl ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorliegt. Chefankläger Luis Moreno Ocampo lehnte ein Tätigwerden zunächst ab. „Die Entscheidung, für Gerechtigkeit zu sorgen, liegt beim libyschen Volk“, dekretierte er, meinte aber zugleich, die UN könnten ihn anweisen.

So blieb der Ausweg über den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der befugt ist, eine Angelegenheit an den IStGH zu überweisen. Das ging in diesem Fall ungewöhnlich schnell, was am Drängen von Libyens Botschafter in New York, Abdulraman Shalgham, lag, einem früheren Vertrauten Gaddafis, der von seinem Staatschef abgerückt ist. „Bitte, Vereinte Nationen, rettet Libyen!“, rief er vor dem Rat.

Der Sicherheitsrat ermächtigte den IStGH in seiner Resolution 1970, alle Verbrechen seit dem Tag der ersten Unruhen in Benghasi am 15. Februar zu untersuchen, insbesondere Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und womöglich Völkermord. Moreno Ocampo solle dem Rat regelmäßig berichten, heißt es in der Resolution, die zudem Sanktionen wie Reiseverbote, das Einfrieren von Konten der Gaddafi-Familie und ein Waffenembargo verfügt.

Das Rom-Statut ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der dem IStGH Geltung in zurzeit 114 Staaten verschafft. Das Statut trat 2002 in Kraft, 2003 wurden die ersten Richter vereidigt. Grundsätzlich sollen nur Taten verfolgt werden, die die internationale Gemeinschaft als Ganzes betreffen, und dies auch nur, wenn die nationalen Gerichtsbarkeiten eine Strafverfolgung ablehnen oder überfordert sind. Ob auch eine Zuständigkeit für „Angriffskriege“ eingerichtet werden soll, wird seit langem auf diplomatischer Ebene diskutiert. Bislang hat der Gerichtshof keine völkerrechtliche Legitimation dafür.

Bisher ist der IStGH nur in Afrika tätig geworden. Zunächst hat der kongolesische Präsident Josef Kabila den Chefankläger Moreno Ocampo aufgefordert, die Kriegsverbrechen in der Demokratischen Republik Kongo unter die Lupe zu nehmen. Er beantragte Haftbefehle gegen insgesamt sechs Kongolesen: vier Milizenführer aus der ostkongolesischen Region Ituri, von denen drei verhaftet wurden und in Den Haag einsitzen. Bosco Ntaganda treibt sein Unwesen inzwischen in der Nachbarprovinz Nord-Kivu. Seit Oktober 2010 sitzt auch der Chef der Rebellentruppe FDLR, in der sich ruandische Hutu-Milizionäre nach dem Völkermord im Ostkongo organisiert haben, im Den Haager Gefängnis. Der sechste Kongolese, der frühere Oppositionsführer im Kongo, Jean-Pierre Bemba, steht wegen seiner mutmaßlichen Verbrechen in der benachbarten Zentralafrikanischen Republik vor Gericht. Die dortige Regierung hatte den Fall an den IStGH verwiesen, was Josef Kabila nur Recht war. Bemba wurde schließlich in seinem europäischen Exil verhaftet, der Prozess wurde im November 2010 eröffnet.

Der zweite Ermittlungskomplex sind die Verbrechen der Lords Resistance Army (LRA), die Norduganda fast 20 Jahre terrorisierte. Präsident Yoweri Museveni überwies den Fall nach Den Haag. Bisher wurde keiner der fünf LRA-Milizionäre wurde bisher verhaftet. Einer ist erwiesenermaßen tot, ein zweiter dürfte ebenfalls 2007 bereits getötet worden sein. Einer, Okot Odhiambo, bot 2009 an, sich zu ergeben, wenn er nicht an das Weltgericht ausgeliefert würde.

Der dritte Komplex betritt die westsudanesische Krisenregion Darfur. Dieser Fall wurde wie nun Libyen vom UN-Sicherheitsrat an den IStGH überwiesen, und zwar schon 2005. Moreno Ocampo beantragte bisher sechs Haftbefehle, von denen einer von der zuständigen Kammer verworfen wurde. Der spektakulärste richtet sich seit 2009 gegen den amtierenden sudanesischen Präsidenten Omar al Bashir. Moreno Ocampo wirft ihm Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord vor.

Seit dem vergangenen Jahr hat Moreno Ocampo zudem Ermittlungen gegen sechs prominente Politiker, Beamte und Journalisten aus Kenia aufgenommen, denen vorgeworfen wird, die Unruhen nach dem Wahlbetrug 2007 geschürt zu haben. Damals starben mehr als 1000 Menschen und rund eine halbe Million wurde vertrieben. Bisher ist kein Fall abgeschlossen. Der erste gegen Thomas Lubanga aus dem Kongo drohte sogar schon mehrfach zu scheitern.

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