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Strafrecht: Ministerin gegen Militärgericht

In der Debatte um die Zuständigkeit für strafrechtliche Ermittlungen gegen Bundeswehrsoldaten in bewaffneten Auslandseinsätzen lehnt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Einrichtung einer zentralen Gerichtsbarkeit ab.

Berlin -  „Wir wollen kein neues Bundesgericht, keinen Wehrstrafgerichtshof, wie er nach dem Grundgesetz möglich wäre“, sagte die Ministerin. Es gehe allein darum, die Verfahren an einem Gerichtsort zu konzentrieren. Der Bundeswehrverband sprach sich dagegen für eine Konzentration der Zuständigkeiten bei einem Bundesgericht aus. Der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis regte die Bildung einer „zentralen Schwerpunktstaatsanwaltschaft“ nach dem Vorbild von Ermittlungseinheiten für Wirtschaftskriminalität an.

Die Bundesanwaltschaft will demnächst über die Aufnahme von Ermittlungen gegen den Bundeswehroberst Georg Klein entscheiden. Dieser hatte im September in Afghanistan einen Luftangriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklastwagen befohlen, bei dem vermutlich mehrere Zivilisten ums Leben kamen. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte die Akten hierzu nach Karlsruhe übermittelt, weil nach ihrer Ansicht der Fall möglicherweise auf der Grundlage des Völkerstrafrechts aufgearbeitet werden muss. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft sagte am Freitag, es sei noch nicht absehbar, wann die Bundesanwaltschaft entscheide. Die Sache werde aber „zügig bearbeitet“. Der Anwendungsbereich des Völkerstrafgesetzbuchs wäre dann eröffnet, wenn die Bundesanwaltschaft zu dem Ergebnis kommt, dass in Afghanistan ein „bewaffneter Konflikt“ vorliegt. Der Vorfall würde dann daraufhin untersucht, ob ein Kriegsverbrechen vorliegt.

Leutheusser-Schnarrenberger betonte, es gehe „allein darum, die Verfahren für Straftaten, die Soldaten im Rahmen eines Auslandseinsatzes begangen haben sollen, an einem Gerichtsort zu konzentrieren“. Es gehe aber nicht um ein neues Bundesgericht und auch nicht um spezielle Militärgerichte.

Dagegen sagte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch: „Wir stellen uns vor, dass ein Bundesgericht solche Fälle übernimmt – insbesondere, wenn es um das Völkerstrafrecht geht, wie im Fall Klein.“ Er fügte hinzu: „Rechtsberater der Bundeswehr könnten im Auftrag der Generalbundesanwältin vor Ort die Ermittlungen führen – und zwar unter dem Hut der Bundesjustizministerin.“ Verhandelt werden sollte am Bundesgerichtshof oder am Bundesverwaltungsgericht; dort existieren bereits zwei Wehrdienstsenate.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, erklärte hingegen: „Wir wollen eine zentrale Zuständigkeit der Justiz am Sitz des Einsatzführungskommandos in Potsdam. Verhandlungen würden dann je nach Schwere des Falles am Amts- oder am Landgericht Potsdam stattfinden.“ Der Staatsrechtler Ulrich Battis betonte, die Bildung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft wäre ein sinnvoller Schritt, weil die juristische Beurteilung von möglichem Fehlverhalten bei Bundeswehreinsätzen im Ausland entsprechendes Fachpersonal erfordere. ddp

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