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Strafverfolgung: Berlusconi diniert mit Richter, der sein Gesetz prüfen soll

Silvio Berlusconi hat die Strafprozesse gegen ihn satt. Deswegen hat er im Parlament beschließen lassen: Die höchsten Politiker Italiens sind während ihrer Amtszeit vor Strafverfolgung sicher.

Ob dieses Gesetz überhaupt zulässig ist, darüber will im Oktober das Verfassungsgericht entscheiden. Jetzt hat sich herausgestellt, dass es da wohl eine kleine Vorbesprechung gegeben hat: Verfassungsrichter Luigi Mazzella hat seinen „alten Freund Silvio“ zu sich nach Hause zum Abendessen eingeladen. Mit am Tisch, laut Presseberichten, ein zweiter der insgesamt 15 Verfassungsrichter, Paolo Maria Napolitano, und gegenüber – neben Berlusconi – dessen engster Staatssekretär und „Kanzleramts-Manager“ Gianni Letta, Justizminister Angelino Alfano, sowie die Vorsitzenden der beiden Parlamentsausschüsse für Verfassungsrecht, beide Mitglieder von Berlusconis Partei.

Als die Sache aufflog, hagelte es Kritik im Parlament. Der frühere Mailänder Star-Staatsanwalt Antonio Di Pietro geißelte das „konspirative und freimaurerische“ Dinner, das die Neutralität des Verfassungsgerichts beschädigt habe; Richter Mazzella müsse zurücktreten. Andere Oppositionelle unterstützten Di Pietro, und mit dem Verfassungsrichter ging die Wut durch. Mazzella schrieb dem „lieben Silvio“ einen Offenen Brief, der für die politischen Auffassungen des Verfassungsrichters und für das italienische System fast noch bezeichnender ist als jenes denkwürdige Abendessen selbst. „Wir zwei“, schreibt Mazzella an Berlusconi, „sind Opfer einer Barbarei geworden.“ Hinter dem Auffliegen des Termins und der oppositionellen Kritik stecke so eine Art faschistische Geheimpolizei wie in der Zeit Mussolinis: „Mittlerweile habe ich meine Zweifel, ob die von damals tatsächlich ihre Arbeit eingestellt hat.“ Dabei, so fährt der Verfassungsrichter fort, „glaubte ich ein freier Mensch in einem freien Staat zu sein und einen alten Freund, wie du es bist, nach Hause einladen zu dürfen.“ Die „fantasiereichen“ Spekulationen der Medien darüber, was bei Tisch gesprochen worden sein könnte, sind laut dem Verfassungsrichter von der Pressefreiheit nicht gedeckt: „Pressefreiheit ist die eine Sache; etwas ganz anderes ist es, unkundigen Lesern Märchen zu erzählen.“

Kein Wort verliert Mazzella darüber, dass Berlusconi nicht allein eingeladen war, sondern mit ihm sein oberster verfassungsrechtlicher Stab. Und dass die Kritik in Parlament und Medien demokratisch legitim sein könnte, kommt dem offenbar persönlich beleidigten Verfassungsrichter nicht in den Sinn.

Unter welchen Umständen diese offenbar nicht unüblichen Kontakte zwischen Justiz und Politik stattfinden und stattgefunden haben, ist noch nicht gesagt, aber offenbar gehören sie zum System. Berlusconi ist darin zwar der erste, der Gesetze für sich persönlich erlässt, aber trotzdem bleibt er ein demokratischer Normalfall – in der Sicht des Verfassungsrichters Luigi Mazzella.

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