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Politik: Strahlenbelastung: Ministerium gibt Versäumnisse bei Radar zu

Berlin. Das Bundesverteidigungsministerium hat eingeräumt, dass es Versäumnisse im Umgang mit stark röntgenstrahlenden Radaranlagen gegeben hat.

Berlin. Das Bundesverteidigungsministerium hat eingeräumt, dass es Versäumnisse im Umgang mit stark röntgenstrahlenden Radaranlagen gegeben hat. Ein Sprecher von Verteidigungsminister Scharping (SPD) sagte dem Tagesspiegel am Montag: "Wir müssen klären, was versäumt wurde und wie den Betroffenen heute geholfen werden kann." Interne Dokumente der Bundeswehr belegen, dass sie in den 70er Jahren zum Beispiel die fälligen Strahlendosisabschätzungen auf Fregatten, Zerstörern aber auch in Starfightern lediglich an intakten, nicht aber an jenen defekten Radaranlagen vorgenommen hatte, die die Techniker reparieren mussten. Die Messdaten entsprachen also nicht der tatsächlichen Strahlenbelastung. Das Verteidigungsministerium war bis Montag für eine Stellungnahme nicht erreichbar gewesen.

Gestern versicherte das Ministerium, dass es bei der Entscheidung über Wehrdienstbeschädigungen eine "großzügige Regelung" geben werde. Es gehe darum, "Abhilfe zu schaffen, wo etwas nicht gut gelaufen ist". Allerdings müsse verhindert werden, dass auch "Trittbrettfahrer" davon profitieren. Minister Scharping, den einige Betroffene am Freitag zum Gespräch bitten, kritisierte "die unakzeptable Dauer" der Entscheidungen über Wehrdienstbeschädigungen. Um die Verfahren zu verkürzen, will er die "Kann-Vorschrift" ausdehnen: Diese erkennt den möglichen Zusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitsplatz an und erspart den Betroffenen entsprechende Klagen vor Gericht.Dennoch müssen sie - erst recht wenn sie aus der Bundeswehr ausgeschieden sind - nachweisen, welcher Strahlendosis sie ausgesetzt waren. Weil sie sich unter Umständen nur auf die erwähnten falschen Messwerte berufen können, werden viele Anträge abgelehnt oder nur zu Teilen anerkannt.

Soldaten und zivile Techniker im Dienst der Bundeswehr waren in den 70er Jahren derart starker Strahlung ausgesetzt, dass viele von ihnen an Krebs erkrankt oder verstorben sind. Während eine Studie der Universität Witten-Herdecke feststellte, dass von 99 untersuchten Radarmechanikern 24 gestorben und 70 krebskrank sind, haben frühere Soldaten Kenntnis von mindestens 100 weiteren Betroffenen aus ihrem ehemaligen Kollegenkreis. Der Tagesspiegel hatte am Montag von einem krebskranken Elektrotechniker berichtet, der zwischen 1971 und 1977 bei der Marine einer um das 60-fach höheren Strahlung (drei Sievert) ausgesetzt war, als von der Bundeswehr damals angegeben.

Auch der 53-jährige Dietmar Glaner meldete sich. Ihm musste 1990 der linke Unterarm wegen eines bösartigen Riesenzelltumors (Typ 2b) amputiert werden, nachdem er von 1975 bis 1984 bei vollem Betrieb den Radar von Starfightern des Typs F-104 G justierte - stets mit der linken Hand. Glaner, der heute im Materialamt der Luftwaffe arbeitet, steht bei der Bundeswehr unter ärztlicher Kontrolle.

Claudia Lepping

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