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Gäfgen

© dpa

Straßburg: Gerichtshof prüft Folterverbot im Fall des Kindsmörders Gäfgen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich erneut mit der Folter-Klage des Kindsmörders Magnus Gäfgen befasst. Gäfgens Anwalt fordert, dass die Bundesrepublik wegen Verstoßes gegen das Folterverbot zu verurteilen sei. Der Vertreter der Bundesregierung weist die Vorwürfe zurück.

In dem Revisionsverfahren um Folterdrohungen gegen den deutschen Kindermörder Magnus Gäfgen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat der Vertreter der Bundesregierung die Anschuldigungen zurückgewiesen. Der zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler habe in Deutschland ein faires Verfahren gehabt, sagte Völkerrechts-Professor Jochen Frowein am Mittwoch in Straßburg.

Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer forderte den Gerichthof hingegen auf, Deutschland wegen Verstöße gegen das Folterverbot und das Grundrecht auf einen fairen Prozess zu verurteilen. Gäfgen sei unter Androhung massiver Folter dazu gebracht worden, die Polizei zu der Leiche des Kindes zu führen. Die Polizei habe somit unter Anwendung "illegaler Methoden" Beweismittel erhalten, die bei dem Verfahren gegen den Mörder ausschlaggebend gewesen seien.

Wegen dieser Beweislast habe Gäfgen von Anfang an keine Chance auf eine effektive Verteidigung gehabt, sagte Heuchemer weiter. "Damit gab es auch keine Chance mehr auf Schuldmilderung." Mit einer Verurteilung Deutschlands solle der Gerichtshof auch ein klares Signal setzen, dass das Folterverbot für alle gelten müsse, auch für Verbrecher.

Tat mehrfach gestanden

Frowein, der als Rechtsvertreter der Bundesregierung auftrat, wies diese Argumente zurück. Entscheidend für die Verurteilung des heute 33-Jährigen sei gewesen, dass dieser die Tat vor Gericht mehrfach gestanden habe. Am letzten Verfahrenstag habe er auch zugegeben, dass er den elf Jahre alten Jungen gleich nach dem Kidnappen töten wollte. Daher sei er wegen vorsätzlichen Mordes verurteilt worden.

Frowein erinnerte daran, dass der damalige stellvertretende Frankfurter Polizeipräsident Wolfgang Daschner mit der Folterdrohung das Kind retten wollte. Daschner habe zu diesem Zeitpunkt geglaubt, der Junge sei noch am Leben. Die Androhung von Folter sei dennoch nicht zu rechtfertigen, betonte Frowein. Sie sei auch von drei deutschen Gerichten gerügt worden. Daschner und ein zweiter Polizist seien dafür verurteilt worden.

Entscheidung wird im September erwartet

Der damalige Jurastudent Gäfgen hatte Jakob von Metzler durch dessen Schwester kennengelernt. Am 27. September 2002 lockte er den Jungen unter einem Vorwand in seine Wohnung und erdrosselte ihn. Anschließend erpresste er von den Eltern eine Million Euro Lösegeld, die ihm am 30. September ausgehändigt wurden. Die Polizei beobachtete die Übergabe und nahm Gäfgen wenige Stunden später fest. Bei der Gerichtsverhandlung nannte er als Motiv Geldsorgen aufgrund seines aufwändigen Lebenstils.

Eine Kleine Kammer des Straßburger Gerichts hatte die Foltervorwürfe am 30. Juni 2008 mit sechs gegen eine Stimme zurückgewiesen. Die Richter begründeten dies unter anderem damit, dass Daschner in Deutschland wegen seines Vorgehens vor Gericht gestellt und verurteilt worden war. Dagegen legte Gäfgen Widerspruch ein.

Nun wird das erstinstanzliche Urteil von der Grossen Kammer des Gerichts überprüft, zu deren 17 Richtern auch die Deutsche Renate Jaeger zählt. Sollte diese Kammer einen Verstoß gegen das Recht auf  ein faires Verfahren feststellen, kann Gäfgen in Deutschland mit einem neuen Prozess rechnen. Mit einer Entscheidung ist einem Sprecher zufolge frühestens im September zu rechnen. (jam/AFP)

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