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Politik: Streicheleinheiten für die Ost-Seele

Auf dem „Perspektivkongress“ der CDU in Dresden verteidigt die Kanzlerin die soziale Marktwirtschaft

Von Matthias Schlegel

Draußen, auf dem Rollfeld, steht der bauchige Transport-Airbus „Beluga“, drinnen in der Halle ist das Rednerpult praktisch unter der Tragfläche eines orangefarbenen Passagier-Airbus platziert. Die klotzige Symbolik auf dem heutigen EADS-Gelände am Dresdner Flughafen Klotzsche, wohin die Bundes-CDU zu ihrem Perspektivkongress eingeladen hat, ist durchaus beabsichtigt. Die traditionsreichen Elbe-Flugzeugwerke, so sagt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, stünden für die Lebensleistung der Ostdeutschen, eben nicht nur nach, sondern vor allem auch vor der friedlichen Revolution. Und die anderen Assoziationen vermitteln sich den vorrangig aus den umliegenden sächsischen Landkreisen angereisten rund 500 Christdemokraten von selbst: innovativ und aufsteigend, und auch ein bisschen mächtig möchte sich die CDU präsentieren nach all dem, was sie in jüngster Zeit an Turbulenzen zu ertragen hatte.

Um die Perspektiven für den Aufbau Ost soll es gehen bei diesem Treffen der Bundes-CDU am Rande der sächsischen Landeshauptstadt. Aber kann man in einer Zeit, da Prophezeiungen mit finanziellem Hintergrund eine Halbwertzeit von kaum 24 Stunden haben, über Milliardenprojekte wie Ostförderung und Solidarpakt mit einer Perspektive von einem Jahrzehnt überhaupt solide diskutieren? Die Bundeskanzlerin kommt denn auch rasch auf die Finanzmarktkrise zu sprechen. Es reiche nicht mehr aus, Regeln im eigenen Land zu haben, sondern „man braucht internationale Regeln wo internationale Zusammenhänge greifen“. Damit solle auch deutlich gemacht werden, „dass Politik gestalten kann“. Einmal mehr werde sich erweisen, dass die soziale Marktwirtschaft „die beste Organisation für die Menschen“ sei. Die Bundesregierung werde nicht an ihrem Kurs der Haushaltskonsolidierung rütteln. Man werde aber dort, wo es strukturelle Unterschiede geben, besondere Antworten geben. Dies ist wohl als eine Art Bestandsgarantie für den Solidarpakt II gemeint, der zwar bis 2019 läuft, aber dessen Mittel von Jahr zu Jahr geringer werden.

Ohnehin steht der Solidarpakt politisch nicht ernsthaft zur Debatte. Doch was sonst noch in dem Zehn-Punkte-Papier für den Stuttgarter CDU-Parteitag Anfang Dezember zu finden ist – quasi die Grundlage für dieses Treffen – stößt bei anderen Parteien durchaus nicht nur auf Zustimmung. Etwa wenn die CDU unter anderem dafür plädiert, in Regionen mit extrem hoher Arbeitslosigkeit „modellhaft auch Abweichungsklauseln von den üblichen Regeln der Arbeitsmarktpolitik und den Arbeitsmarktinstrumenten“ zu vereinbaren und die Tarifverträge für betriebliche Bündnisse weiter zu öffnen.

Der Begriff „Chancengleichheit“ kommt in Merkels Rede gleich mehrfach vor. Sie formuliert ihn als Ziel des Einigungsprozesses zwischen Ost und West. Vor allem aber bezieht sie ihn auf Hochschulpolitik, Forschung und Technologie – Bereiche, die in den neuen Ländern noch immer den größten Nachholbedarf haben. Ihr Anspruch greift weit voraus: „Die neuen Bundesländer wollen zu den besten Regionen Europas gehören.“

Denn im Grunde will sich die CDU- Vorsitzende auch gar nicht auf eine Debatte übers Geld einlassen. Sie will vor allem die Seelen der Parteimitglieder im Osten, ihrer Landsleute, streicheln. Etwa wenn sie von den fundamentalen Veränderungen und Umbrüchen spricht, die die Menschen im Osten zu bewältigen hatten und davon, dass „Unglaubliches“ in den Jahren seit der friedlichen Revolution geleistet worden sei. Diesen Stolz möchte man sich schon gönnen und das Feld nicht den Miesmachern von der Linkspartei überlassen. Gerade angesichts der Finanzmarktkrise versuche die Linkspartei, „ein Bündnis der Schwächeren gegen die Stärkeren zu schmieden“, sagt Merkel. Das aber werde nicht funktionieren, vielmehr müsse „Solidarität zwischen Stärkeren und Schwächeren gelebt und ausgestaltet werden“.

Bei einem der „Zukunftsgespräche“, die dann auf dem Podium wechselnd mit den CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, Tillich, Althaus und Böhmer, und Experten geführt werden, fällt eine der Fragen aus dem Publikum aus dem Rahmen: Warum in dem CDU-Papier mit dem ausführlichen Teil zur DDR-Vergangenheit die Ost-CDU mit keinem Wort erwähnt werde, will einer wissen, der einst von der Stasi drangsaliert worden war. Das werde nach dem Einspruch der Ost- CDU-Ministerpräsidenten nachgebessert, sagt Stanislaw Tillich. Als ehemaliges Mitglied des Rates des Kreises Kamenz mit 1987 ausgestelltem CDU-Parteibuch wird er seinen Teil dazu beitragen können.

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