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Politik: Streit gelöst, weil vertagt

Eine große Koalition wird nicht über die Beschaffung von Kampfdrohnen entscheiden.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Vorbilder – nein, als Vorbilder mögen sich Frank-Walter Steinmeier und Thomas de Maizière nicht einordnen lassen. „So eitel sind wir nicht“, sagt Steinmeier. Aber zufrieden sind die beiden Verhandlungsführer der Arbeitsgruppe Außen- und Sicherheitspolitik mit sich selbst am Dienstag schon. Die Chefs von CDU, CSU und SPD werden sich in der Schlussphase der Koalitionsverhandlungen mit ihrem Feld nicht mehr befassen müssen. Die Experten sind fertig geworden, ohne Rest und offene Fragen.

Das liegt auch daran, dass eine sehr schwierige Frage sich auf absehbare Zeit nur theoretisch stellt: die nach dem Einsatz bewaffneter Drohnen. „Wir werden vermutlich nach meiner Einschätzung in dieser Legislaturperiode nicht so weit kommen, dass über die Beschaffung bewaffneter Systeme entschieden wird“, sagt Steinmeier. Der SPD-Fraktionschef konnte deshalb ohne Probleme einem Formulierungsvorschlag für den Koalitionsvertrag zustimmen, der eine spätere Anschaffung von Kampfdrohnen – darauf weist Verteidigungsminister de Maizière ausdrücklich hin – nicht ausschließt.

Aber eine rasche Entscheidung ist in der Tat unwahrscheinlich. Das liegt weniger an der von der SPD formulierten Zusicherung, dass vorher alle „völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen“ sorgfältig geprüft werden sollen, als an der Wirklichkeit. Die „Euro Hawk“-Affäre hat klargemacht, wie schwierig eine Genehmigung für die unbemannten Fluggeräte im zivilen Luftraum zu bekommen ist.

Zudem sind die USA derzeit nicht bereit, ihre Kampfdrohnen zu deutschen Bedingungen an die Bundeswehr zu liefern, und das israelische Konkurrenzmodell gilt als noch nicht marktreif. Die erklärte Absicht der Koalitionäre, sich für eine europäische Eigenentwicklung starkzumachen, ist ebenfalls ein Plan für sehr viel längere Zeiträume als die vier Jahre, die man gemeinsam regieren will.

Damit ist das härteste Konfliktthema zwischen Union und SPD gelöst, weil vertagt. Bei der zweiten wichtigen Streitfrage überbrückt ein bewährter Formelkompromiss die Differenzen. Die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei seien „ein Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt“, heißt es in dem Text. Falls die Verhandlungen scheitern, soll die Türkei in jedem Fall durch ein „privilegiertes Verhältnis“ eng an Europa angebunden bleiben. Das stellt der Union frei, in Wahlkampfreden gegen den EU- Beitritt zu wettern, und ebenso der SPD, sich für den Beitritt starkzumachen.

Eine Formel gefunden wurde schließlich auch für die neuerdings so heikle Frage der transatlantischen Allianz. Den Punkt hatten de Maizière und Steinmeier bis zum Schluss aufgespart, um auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Jetzt heißt es einerseits: „Auch im 21. Jahrhundert gibt es keine besseren Partner füreinander als Amerika und Europa.“ Auch das geplante Freihandelsabkommen wird nicht infrage gestellt. Andererseits müsse erschüttertes Vertrauen wiederhergestellt werden – durch ein „deutliches Bekenntnis und entsprechende Maßnahmen“ der US-Regierung, klarere Regeln und „glaubhafte und überprüfbare Vereinbarungen, um die Privatsphäre unserer Bürgerinnen und Bürger zu schützen“. Robert Birnbaum

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