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Klägerin Petra U. gemeinsam mit ihrem Anwalt Arnold Heim im Landgericht in Saarbrücken (Saarland). Ihr Antrag wurde abgewiesen.

© Oliver Dietze/dpa

Streit mit Til Schweiger: Lieber mit dem eigenen Fernseher reden als mit Facebook

Der Gerichtsbeschluss im Fall des Schauspielers zeigt: Netzwerk-Diskutanten stecken in einer Abwärtsspirale. Wer mitmacht, wird nach unten gezogen - öffentlich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Als der Rundfunk erfunden wurde, begannen die Menschen auf einmal, mit elektrischen Geräten zu reden. Mit Büchern oder Zeitungen redet kaum jemand. Insbesondere reden viele mit dem Fernseher. Bei Fußballübertragungen („Gib ab!“; „Schieß!“) oder etwa der „Tagesschau“ („Die lügen doch alle“).

Jetzt sind immer mehr Menschen im Internet. Die Botschaften sind in etwa dieselben geblieben, sie prägen viele Debatten, zum Beispiel bei Facebook. Neu ist: Man ist nicht mehr allein oder nur unter Freunden und Familie im Wohnzimmer. Man steht in der Öffentlichkeit.

Der Schritt zum großen Publikum ereignet sich früher, als viele denken. So wies das Landgericht Saarbrücken jetzt die Klage einer Frau ab, die dem Schauspieler und Regisseur Til Schweiger eine private, also nichtöffentliche Facebook-Nachricht zugesandt hatte, ähnlich einer E-Mail. Die Absenderin fragte den auch mit politischen Aussagen aufgefallenen Künstler, ob er nun, da die AfD in den Bundestag eingezogen sei, Deutschland verlassen werde, wie er es angekündigt habe?

Sein Sexismus wird Schweiger verziehen

Schweiger stellte die Nachricht auf seine öffentliche Seite, mit Namen und Anschrift der Frau. Dazu die Worte: „hey schnuffi…! date!? nur wir beide!?“ Das war natürlich ungalant oder sexistisch (was Schweiger offenbar verziehen wird) und ist deshalb abzulehnen. Aber wollte die Frau sich wirklich nur nett erkundigen, ob Schweiger auswandert? Eher wollte sie ihn wohl provozieren. Und Schweiger provozierte zurück.

Es ist ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte, private Zuschriften, die man empfangen hat, ungefragt öffentlich zu machen. Trotzdem hat die Frau keinen Anspruch auf Unterlassung, entschieden die Richter. Der Eingriff sei durch das Informationsinteresse und Schweigers Meinungsfreiheit gedeckt. Die Klägerin habe sich via Facebook an einer politischen Kontroverse beteiligt, die auch auf Schweigers öffentlicher Facebook-Seite stattfinde. Sie habe sich zudem schon in anderen Internetforen unter ihrem vollen Namen politisch geäußert.

Richter sind keine Sittenwächter

Eine Sichtweise, die der digitalen Diskussionswirklichkeit gerecht wird. Wer bei Facebook aktiv wird, wer sich dort mit Politik und Prominenz anlegt, muss damit rechnen, dass scharf geschossen wird. Dass Schweiger erklärt habe, bei einem AfD-Erfolg ins Exil zu wollen, ließ sich außerdem nicht nachweisen. Die Absenderin ist Fake News aufgesessen. Über eine derartige Verblendung darf man sich lustig machen. Pranger, Häme und eine Dosis Anzüglichkeit inklusive.

Richter sind nicht dafür da, den sozialen Netzwerkern Anstand beizubringen. Hier muss sich jeder blamieren dürfen, so gut er es eben kann. Wie es scheint, stecken die Nutzer in einer Abwärtsspirale. Möglich, dass Menschen, die noch mit ihrem Fernseher reden, sogar die interessanteren Debatten führen.

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