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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will EU-Ausländern das Kindergeld kürzen.

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Update

Streit über Kindergeld für EU-Ausländer: Grünen-Chefin wirft Gabriel Stimmungsmache gegen Zuwanderer vor

SPD-Chef Sigmar Gabriel will EU-Ausländern das Kindergeld kürzen. Grünen-Chefin Simone Peter wirft ihm Stimmungsmache gegen Zuwanderer vor. Und die CSU freut sich.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat eine Kürzung des Kindergelds für EU-Ausländer gefordert, deren Kinder nicht in Deutschland leben. „Wenn ein Kind nicht bei uns lebt, sondern in seinem Heimatland, dann sollte auch das Kindergeld auf dem Niveau des Heimatlandes ausgezahlt werden“, sagte der Vizekanzler. Bei den Grünen und der Linkspartei stößt dieser Vorstoß auf heftige Kritik.

Gabriel: Freizügigkeit darf nicht missbraucht werden

Freizügigkeit dürfe nicht missbraucht werden, um in Sozialsysteme einzuwandern, sagte Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In manchen Großstädten Deutschlands gebe es bereits ganze Straßenzüge mit Schrottimmobilien, in denen Migranten nur aus einem Grunde wohnten: „Weil sie für ihre Kinder, die gar nicht in Deutschland leben, Kindergeld auf deutschem Niveau beziehen.“

Er fordere seit Monaten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), einen Vorschlag für eine solche Kürzung des Kindergeldes vorzulegen, so der Wirtschaftsminister. „Es gibt in Europa ein Recht auf Zuwanderung in Arbeit, aber kein Recht auf Zuwanderung in Sozialsysteme ohne Arbeit“.

Gabriel wolle „bei der Stimmungsmache gegen Zuwanderer offenbar nicht hinter der Union zurückstehen, die mit ihrem Parteitagsbeschluss zum Doppelpass den Wahlkampf um rechte Stimmen eröffnet hat“, sagte Grünen-Chefin Simone Peter dem Tagesspiegel am Sonntag. Wer   –  wie einst die CSU mit ihrer Kampagne „Wer betrügt, fliegt“ - ganze  Gruppen unter Generalverdacht des Missbrauchs der deutschen Sozialsysteme stelle, wolle "ausschließlich Ressentiments schüren“, so die Parteivorsitzende. „Wir brauchen uns über Zulauf zur AfD nicht zu wundern, wenn sich die politische  Auseinandersetzung auf diesem Niveau einpendelt.“

Linkspartei sieht SPD "auf den Hund gekommen"

Auch die Linkspartei reagierte empört. Gabriels Forderung zeige "mal wieder, dass es in Europa keine Sozialstandards gibt", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann. "Dieses Problem auf dem Rücken der Kinder zu lösen, ist unanständig." Und dass dieser Vorstoß ausgerechnet von Gabriel komme, mache deutlich, "wie die SPD in der großen Koalition auf den Hund gekommen ist". 

Tatsächlich begibt sich Gabriel mit seiner Forderung ganz auf die Linie von CDU und CSU. Zwar sollten Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland kindergeldberechtigt bleiben, heißt es in einem Beschluss der Unionsfraktionschefs vom Februar dieses Jahres. Aber: „Leben ihre Kinder im Ausland, so muss die Höhe des Kindergeldes an den dort geltenden Lebensstandard und die dort üblichen Sozialleistungen angeglichen werden. Dadurch wird eine unverhältnismäßige Besserstellung von Familien behoben, die in einem EU-Staat mit deutlich niedrigeren Lebenshaltungskosten als in Deutschland wohnen.“

„Herr Gabriel hat sich mit seinem Vorschlag unsere Forderung zu eigen gemacht“, sagte die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, dem Tagesspiegel. Die CSU wolle schon lange, dass das Kindergeld den Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes angepasst werde. Wenn Gabriel nun auf diesen Kurs einschwenke, sei das „gut und notwendig“, so Hasselfeldt. „Denn Fehlanreize und Missbrauch müssen verhindert werden.“

200 Millionen Euro pro Jahr für im Ausland lebende Kinder

EU-Ausländer haben - nach einem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs von 2012 - für die Dauer ihres Arbeitsaufenthaltes in Deutschland Anspruch auf Kindergeld – auch wenn ihr Nachwuchs in einem anderen EU- Land lebt. Die Dimension hatte vor einem Jahr schon mal die Bundesagentur für Arbeit deutlich gemacht. Demnach gab es im Dezember 2015 für rund 120.000 im Ausland lebende Kinder ohne deutsche Staatsangehörigkeit Kindergeld aus Deutschland. Davon waren knapp die Hälfte Polen, es folgten Franzosen, Rumänen, Tschechen und Ungarn. Pro Jahr, so die Schätzungen, kostet das rund 200 Millionen Euro.

Das Finanzministerium wies Gabriels Kritik zurück und verwies auf die europäische Rechtslage. "Die EU-Kommission hat letzte Woche eine Initiative vorgelegt, nach der das Kindergeld in der Europäischen Union nicht an das Preisniveau im Aufenthaltsland des Kindes angepasst werden soll", sagte ein Sprecher. Das Ministerium bedauere diese Entscheidung und prüfe, "welche Möglichkeiten das Europarecht lässt, dennoch zu einer Änderung zu kommen". Nach Angaben der Kommission werden "weniger als ein Prozent der Leistungen für Kinder von einem Mitgliedstaat in einen anderen exportiert".

Haushaltspolitiker will gesonderte Arbeitsvermittlung für Flüchtlinge

Der SPD-Haushaltpolitiker Johannes Kahrs forderte eine gesonderte Arbeitsvermittlung nur für Flüchtlinge. "Aufgrund der besonderen Vermittlungsbedürfnisse sollten Flüchtlinge rausgenommen werden aus dem normalen Betrieb der Arbeitsagentur", sagte Kahrs dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Flüchtlinge bräuchten Dolmetscher und besondere Begleitmaßnahmen im psychologischen oder pädagogischen Bereich in anderem Umfang als herkömmliche Langzeitarbeitslose. Vorbild könne das Modell der Jugendarbeitsagentur für unter 26-Jährige sein.

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