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Politik: Streit über Sicherheitsmängel im AKW Brunsbüttel

Aufsichtsbehörde will Umweltschützern Akteneinsicht geben – Betreiber Vattenfall klagt dagegen

Berlin - Im Streit um mögliche Sicherheitsmängel des Atomkraftwerks Brunsbüttel muss die schleswig-holsteinische Aufsichtsbehörde externen Kritikern Einsicht in ihre Prüfungsunterlagen gewähren. Das beschied jetzt das zuständige Sozialministerium in Kiel in einem Schreiben an die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Zugleich kündigte der Stromkonzern Vattenfall als Betreiber des Altmeilers an der Unterelbe jedoch an, noch in dieser Woche beim Verwaltungsgericht gegen den Bescheid zu klagen. In den Akten seien „Betriebsgeheimnisse“ genannt, die das Unternehmen schützen müsse, sagte ein Vattenfall-Sprecher dem Tagesspiegel. Zudem seien die „technischen Sachverhalte so komplex, dass die Öffentlichkeit diese nicht richtig bewerten“ könne.

Weil der Streit vor den Gerichten mehrere Jahre dauern könne, fordert die DUH von der verantwortlichen Ministerin Gitta Trauernicht (SPD), den Bescheid per „Sofortvollzug“ in Kraft zu setzen. Andernfalls werde das „gesetzlich verbriefte Recht der Bürger auf Zugang zu Umweltinformationen ad absurdum geführt“, warnte die DUH-Rechtsexpertin Cornelia Ziehm. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, über den Vollzug könne erst nach Vorliegen der Klage des Betreibers entschieden werden.

Die DUH hatte beantragt, die Ergebnisse der jüngsten Sicherheitsüberprüfung des seit 1977 betriebenen Atomkraftwerks offen zu legen. Diese läuft bereits seit 2001 und ergab zahlreiche Schwachstellen. Nach Informationen der DUH sind bis heute insgesamt 260 Fragen offen, für die der Betreiber nicht nachweisen konnte, ob das Sicherheitssystem dem Stand der Technik entspricht.

Um die bisher geheime Mängelliste einsehen zu können, beruft sich die DUH auf die seit drei Jahren geltende EU-Richtlinie über den „Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen“. Diese komme „im vorliegenden Fall unmittelbar zur Anwendung“, schlossen auch die Juristen von Ministerin Trauernicht. Demgegenüber sei die Auffassung des Betreibers „nicht überzeugend“, heißt es in dem Bescheid. Für mögliche Konkurrenten seien die Informationen nicht relevant.

Hintergrund für die jahrelange Verzögerung bei der Abarbeitung der Mängelliste könnte die für 2009 anstehende Stilllegung des Reaktors sein, die das geltende Atomgesetz vorsieht. Vattenfall hatte angekündigt nur dann in eine Leittechnik und neue Turbinen zu investieren, wenn die Laufzeit verlängert werde. Aufzuklären sei, warum die Aufseher bei „dieser Verschleppung mitspielen“, forderte der Atomexperte der DUH Gerd Rosenkranz. Gewähre die Ministerin der Vattenfall-Klage nun aufschiebende Wirkung, dann erfahre die Öffentlichkeit das „erst in fünf Jahren oder nie“.

Diese Erfahrung machten auch die Atomkraftgegner von Greenpeace. Diese forderten schon im Jahr 2002 nach der schweren Explosion im Reaktorraum von Brunsbüttel Akteneinsicht. Aber durch Prozesse über mehrere Instanzen konnte der Vattenfall-Konzern dies bis heute verhindern.

Insofern sei „das hehre Versprechen der Politik zum Informationszugang für mündige Bürger bisher nur leeres Gerede“, urteilt DUH-Juristin Ziehm. Das gelte auch für das neue Verbraucherinformationsgesetz, weil es ebenfalls betroffenen Unternehmen ein Klagerecht mit aufschiebender Wirkung einräumt.

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