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Abgelehnte Asylbewerber werden abgeschoben.

© Patrick Seeger/dpa

Streit um Abschiebungen: Unser Flüchtlingssystem ist unsinnig

Unsere Flüchtlingspolitik ist großherzig gedacht - sie führt aber dazu, dass die besonders Verletzlichen keinen Platz mehr finden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Barbara John

Und wieder fordern Innenpolitiker laut und entschlossen mehr Abschiebungen und weitere Verfahrensverschärfungen, um erfolglose Asylantragsteller zurück in die Herkunftsländer zu bringen. Und wieder wird nicht viel passieren, weil die Politik es längst nicht mehr allein in der Hand hat, wer und wie viele Deutschland verlassen müssen. Denn über Jahrzehnte sind in die Rechtsprechung zu Abschiebungen immer mehr Hindernisse und Verbote eingeflossen. Mit der Folge, dass Ausreisepflichtige hier bleiben können, obwohl sie weder politisch verfolgt sind noch wegen eines Bürgerkriegs ihr Land verlassen mussten.

Man will Sozialstandards nicht zumuten, die von unseren abweichen

Die juristischen Regeln stammen aus verschiedenen Rechtsquellen wie etwa der Nicht-Zurückweisungsklausel der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, aber auch aus Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts. Hinzu kommt, dass Asylanträge anstandslos angenommen werden, auch wenn der Bewerber keinen Pass oder andere Identitätspapiere vorlegt. Es ist inzwischen so, dass Asylbewerber mit der Aufnahme in Deutschland den Anspruch erwerben, nur dann zurückkehren müssen, wenn ihnen im Herkunftsland keine Einschränkung von Grundfreiheiten droht und auch kein individueller Schaden für Leib und Leben, weil etwa eine bestehende Krankheit nicht fachgemäß behandelt werden kann.

Es ist großherzig gedacht, Rückkehrern Rechts-, Sozial- und Gesundheitsstandards im Herkunftsland nicht zumuten zu wollen, die von den hiesigen abweichen. Doch wenn alle bleiben können, finden die besonders Verletzlichen bei uns keinen Platz mehr. So wird nur immer deutlicher, wie unsinnig ein Flüchtlingssystem ist, das zwangsläufig Hunderttausende von Ausreisepflichtigen produzieren muss, weil unsere Aufnahmepolitik dieselbe ist wie vor fast 60 Jahren. Sich damit auseinanderzusetzen, wäre eher das Gebot der Stunde für die Innenminister, als die Ausreisepflichtigen, die nicht freiwillig gehen, als „Trickser und Täuscher“ zu brandmarken. Das befeuert nur eine generelle Abwehrhaltung, löst aber kein Problem.

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