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Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler.

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Update

Streit um Ärzte-Honorare: Ärzte beklagen "Vertrauensbruch"

"Tiefe Krise", "atmosphärische Störungen" und "Vertrauensbruch": Die Ärzte fahren schwere Geschütze gegen die Kassen auf und haben Verhandlungen über die Honorare erstmal platzen lassen. Auch Praxisschließungen aus Protest rücken näher.

Im Prinzip haben die Ärzte die Gespräche mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) platzen lassen, um zu reden. Aber in kleiner Runde. "Wir haben die GKV zu einem Spitzengespräch eingeladen und der GKV ist dieser Einladung auch gefolgt", sagte ein Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).Die Ärzte beklagen vor allem die "atmosphärische Störung". Man sei nicht mehr gewillt gewesen, weiter zu verhandeln, erläuterte der KBV-Sprecher. "Vertrauensbruch" werfen die Ärzte den Kassen vor. Von einer "tiefen Krise" ist die Rede.

Hintergrund ist eine Studie, die der GKV im Vorfeld der Honorarverhandlungen erstellen ließ - mit dem Ergebnis, dass die Ärzte eigentlich nicht mehr Geld brauchen. Deshalb ging der GKV sogar mit der Forderung nach einer Kürzung der Honorare in die Verhandlung. Die Ärzte dagegen wollten eine Erhöhung für die 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten von 3,5 Milliarden Euro.

Ende der Woche gab es einen Schlichterspruch, der eine Erhöhung von 270 Millionen Euro vorsah. Dagegen hat der KBV nun Klage beim Sozialgericht Berlin-Brandenburg eingereicht. Mit dem Schlichterspruch würde jeder Arzt im Schnitt 1800 Euro mehr Honorar pro Jahr erhalten. „Im Interesse einer störungsfreien Versorgung der Patienten und eines guten Miteinanders in der gemeinsamen Selbstverwaltung stehen wir für ein solches Gespräch selbstverständlich zur Verfügung. Die teilweise inakzeptablen Äußerungen einiger Ärzte-Funktionäre vom Wochenende dürfen den Blick auf die zu lösenden Sachfragen nicht verstellen“, sagte Johann-Magnus v. Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes und Verhandlungsführer für die gesetzlichen Krankenkassen. Wann es das Spitzengespräch zwischen GKV und KBV geben soll, ist noch unklar. "So schnell wie möglich, auf jeden Fall noch im September", heißt es auf Ärzteseite.

Video: Ärzte drohen mit Praxis-Streiks

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat die beiden Partner dazu aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. „Ich habe kein Verständnis für den bisherigen Verlauf der Honorarverhandlungen und die erneute Zuspitzung“, sagte Bahr am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin. „Ich fordere die Beteiligten auf, sich an einen Tisch zu setzen und in der Sache zu streiten“, sagte Bahr. „Beide Parteien der Selbstverwaltung - Krankenkassen und Ärzte - verwahren sich stets gegen jede Einmischung der Politik, wenn es um ihre ureigenen Aufgaben geht.“ Nun erwarte er, dass beide Verhandlungspartner ihrer Aufgabe gerecht werden.

Sie sollten zu einem Ergebnis kommen, das den Interessen beider Seiten Rechnung trägt, so Bahr. „Ich bleibe dabei, dass Kassen und Ärzteschaft ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen müssen und ihre Auseinandersetzung nicht zu Lasten der Patientinnen und Patienten austragen dürfen.“ Sein Ministerium habe in dem Verfahren die Rechtsaufsicht und werde nicht in der Sache entscheiden.

Nach Ansicht der Ärzte würde die geplante Honorarerhöhung einen realen Einkommensverlust in Höhe von zehn Prozent bedeuten. Dadurch werde die Aufrechterhaltung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gefährdet, warnten sie. Zahlreiche Ärzteverbände hatten mit massiven Protesten und Praxisschließungen gedroht, sollte das Verhandlungsergebnis nicht nachgebessert werden. Jetzt soll es zu Abstimmungen über mögliche Praxisschließungen kommen, mehrere Ärzteverbände wollen die Basis darüber abstimmen lassen. Urabstimmungen sind geplant, wie der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, am Montag nach einer Konferenz der Verbände sagte. Ende September könne es zu den Protesten kommen.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisiert das Verhalten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Streit um das Ärztehonorar. "Der Verhandlungsabbruch ist überzogen, unverhältnismäßig und er passt nicht in die Zeit", sagte Lauterbach dem "Tagesspiegel". Es sei nicht mehr um eine Kürzung des Honorars gegangenen, sondern um eine Erhöhung, "und da wäre es gut gewesen, erstmal zu Ende zu verhandeln".

Gleichzeitig sei das Agieren des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen "dumm" gewesen. "Man kann nicht Überschüsse anhäufen und dann Honorarkürzungen von den Ärzten verlangen", sagte Lauterbach. "Jetzt müssen beide Seiten wieder schnell an den Verhandlungstisch zurückkehren", forderte Lauterbach. Man dürfe diesen Streit nicht auf dem Rücken der Patienten austragen. "Dafür gibt es kein Verständnis", erklärte Lauterbach weiter.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, hat dagegen Verständnis für den Ärger der Ärzte. "Ich verstehe den Unmut der Ärzte, denn die Stimmungsmache der Krankenkassen vor den Verhandlungen war unangemessen. Allerdings ist eine abschließende Bewertung des Verhandlungsergebnisses erst möglich, wenn auch über die Leistungsmenge sowie in den Regionen verhandelt worden ist. Dann können es insgesamt einen Milliarde Euro Zuwachs für 2013 werden. Deswegen sollte jetzt erst mal endlich fair verhandelt werden statt sich gegenseitig zu drohen."

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