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Politik: Streit um Killerspiele

Werden sie jetzt verboten? Politiker und Fachleute diskutieren nach dem Amoklauf von Emsdetten

Von Matthias Schlegel

Berlin - Nach dem Amoklauf eines 18-Jährigen in einer Schule in Emsdetten, bei dem 37 Menschen verletzt wurden, ist unter Politikern und Fachleuten heftiger Streit über die Wirksamkeit gesellschaftlicher Strategien gegen Jugendgewalt entbrannt. Während mehrere Politiker ein Verbot gewaltverherrlichender Computerspiele forderten, warnten andere vor einer verengten Sicht auf das Problem.

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber sagte am Dienstag in München, „Killerspiele gehören in Deutschland verboten“. Sie animierten Jugendliche, andere Menschen zu töten. Solche Spiele dürften in der Gesellschaft keinen Platz haben. Er kündigte eine entsprechende Bundesratsinitiative Bayerns an. Gleiches beabsichtigt Niedersachsen. Auch die CDU-Politiker Wolfgang Bosbach und Jörg Schönbohm und der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz plädierten für ein Verbot.

„Im Zeitalter des Internets ist das blauäugig“, sagte dagegen die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Familie und Jugend, Kerstin Griese (SPD). Die Politik solle „nicht so tun, als könne sie einen solch schrecklichen Vorfall wie in Emsdetten quasi gesetzlich verhindern“. Der FDP-Medienexperte Hans-Joachim Otto sagte, es sei bezeichnend, dass Koalitionspolitiker nach dem Amoklauf „schon wieder nur völlig hilflose und naive Verbotsreflexe von sich geben können“. Der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck forderte eine verstärkte Debatte um die Förderung von Medienkompetenz und sinnvolle Computernutzung. Auch die jugend- und medienpolitischen Sprecher der Grünen, Kai Gehring und Grietje Bettin, kritisierten, Computerspiele würden immer als Sündenbock herangezogen, wenn die Bildungs- und Jugendhilfepolitik der Länder ihr eigenes Versagen kaschieren wolle.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer aus Hannover beklagte gravierende Defizite: Die Familien kümmerten sich zu wenig darum, „was ihre Kinder in Kinderzimmern treiben“. In den Schulen würden zu viele Verlierer erzeugt. Das System setze „zu sehr auf Wissensvermittlung und zu wenig auf soziales Lernen“. Außerdem sei der Jugendmedienschutz ineffektiv, sagte Pfeiffer dem Tagesspiegel.

Für einen breiteren Ansatz in der Debatte plädierte auch der Sprecher der Arbeitsgruppe Familie und Jugend der Unionsfraktion, Johannes Singhammer (CSU). Die Politik müsse „denen, die in der schwierigen Aufgabe der Erziehung stehen, den Rücken stärken“. Dazu dürfe die Politik nicht in Aktionismus verfallen, sondern müsse ihre langfristige Strategie der Wertevermittlung und der Stärkung der Familie verstetigen, sagte Singhammer dem Tagesspiegel. Er verband dies mit einer Kritik an Forderungen aus der CDU, Teile des Kindergeldes zur Finanzierung eines kostenlosen Kita-Jahres umzuleiten. „Das ist der falsche Weg, weil er nicht zu stabileren Familien führt.“

Die Schüler der Realschule in Emsdetten wurden unterdessen psychologisch betreut. Fünf Schwerverletzte seien „auf dem Weg der Besserung“, sagte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in Emsdetten. Eine Obduktion ergab, dass sich der Täter mit einem Schuss in den Mund getötet hat.

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