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Clemens Binninger gibt schon nach einer Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses auf.

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Update

Streit um Snowden: NSA-Chefaufklärer Binninger will lieber Geheimdienst überwachen

Schon nach der ersten Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses gibt der Vorsitzende Clemens Binninger auf. Hintergrund ist der Streit darüber, ob und unter welchen Bedingungen der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden geladen werden soll.

Nur wenige Tage nach der konstituierenden Sitzung des NSA-Untersuchungsausschussses gibt der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger den Vorsitz des Gremiums auf. Er habe sich entschieden, das Amt mit sofortiger Wirkung niederzulegen, teilte Binninger am Mittwoch nach einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums in einer schriftlichen Erklärung mit. Als Begründung nannte er Unstimmigkeiten unter den Mitgliedern - vor allem zu einer Vernehmung des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden. Nachfolger soll der Unions-Obmann im Ausschuss, Patrick Sensburg (CDU), werden. Das kündigte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) an, der den Rücktritt Binningers bedauerte. Neuer Unions-Obmann im Untersuchungsausschuss soll Roderich Kiesewetter (CDU) werden.

Am Mittag trat Clemens Binninger vor die Presse und erklärte seinen Rücktritt, wie zuvor schon in seiner persönlichen Erklärung, mit Querelen um die Einladung Snowdens und mögliche Konflikte mit seinem Amt als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Er habe die Hoffnung gehabt, ähnlich wie beim NSU-Untersuchungsausschuss, wo er Obmann der Union war, auch hier im Konsens zu arbeiten. "Leitschnur war für mich der gemeinsam erarbeitet Untersuchungsauftrag, der meiner Meinung nach zarte Grundlage einer gemeinsamen Arbeit war, aber da habe ich mich wohl geirrt", sagte Binninger enttäuscht. Den Konflikt mit seinem Vorsitz im PkGr hatte er gehofft, lösen zu können. Er habe nun die Konsequenzen aus der Erkenntnis ziehen müssen, dass er die Arbeit als Ausschussvorsitzender nicht so habe machen können, wie er sich das vorgestellt hatte. In seiner persönlichen Erklärung hatte Binninger geschrieben: "Diese einseitige Fixierung und die gewünschte Befassung, die mich als Ausschussvorsitzender binden würde, würde auch zu Aufgabenkonflikten mit meiner Arbeit als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums führen." Dieses geheim tagende Gremium überwacht die deutschen Geheimdienste und erhält von diesen auch Informationen.

SPD bedauert Rückzug von Binninger

Spekulationen, er sei zurückgetreten, weil er im Herbst BKA-Chef Jörg Ziercke nachfolge, wies er zurück. "Dafür stehe ich nicht zur Verfügung." Binninger kritisierte die Opposition scharf. "Es sollte im Ausschuss um sachliche Aufklärung gehen und nicht um spektakuläre Medienaufmerksamkeit." Er habe große Zweifel, dass Snwoden zu den Fragen des Ausschusses wirklich etwas beitragen könne.

Patrick Sensburg
Patrick Sensburg (CDU) übernimmt den Vorsitz des NSA-Untersuchungsausschusses. Er war eigentlich als Obmann der Unions-Fraktion vorgesehen.

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Sein Nachfolger Patrick Sensburg, der in der Ausschusssitzung am Mittwoch gewählt werden soll, kann Binningers Entscheidung, von der er am Vormittag erfahren hatte, nachvollziehen. Aber er ist optimistisch, den Konsens noch herstellen zu können. "Ich bin hartnäckig", sagte er. Sensburg sei nicht gegen eine Befragung Snwodens aber zunächst müsste klar sein, welche Fragen man habe und welche Rahmenbedingungen es gebe.

Diese Linie verfolgt auch die SPD. Christian Flisek, Obmann der SPD, sagte am Mittag, dass er Binningers Entscheidung bedauere. Auch er betonte, dass es wichtig sei, nach außen geschlossen aufzutreten, um Ernst genommen zu werden. Er kritisierte, dass der frühe Beweisantrag zu Snwoden diese Bemühungen konterkariere und eine unnötige Schärfe reinbringe. Allerdings sagte Flisek auch, dass die Konflikte mit dem PKGr, die Binninger anführt, auch vorher klar gewesen seien.

Grüne wollen Snowden-Aussage erzwingen

Die Grünen wehren sich gegen die Vorwürfe. Sie machen eher Druck aus der Union und dem Kanzleramt für Binninger Rücktritt verantwortlich. Der Grünen-Innenpolitiker Hans-Christian Ströbele äußerte den Verdacht, das Amt habe Druck auf Binninger ausgeübt, „um die Vernehmung und Aufklärung durch Edward Snowden im Ausschuss zu verhindern“. Ähnlich äußerte sich Ströbeles Fraktionskollege Konstantin von Notz. Im Falle einer Vernehmung des früheren Geheimdienstlers Snowden befürchte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „Ungemach“ bei ihrem nächsten USA-Besuch, mutmaßte von Notz im Gespräch mit „Handelsblatt Online“.

Die Grünen wollen das persönliche Erscheinen des ehemaligen Geheimdienst-Mitarbeiters Edward Snowden im NSA-Untersuchungsausschuss zur Not auch mit juristischen Mitteln durchsetzen. „Er möchte hier aussagen
und er möchte hier Aufenthalt haben. Die Bundesregierung muss die Voraussetzungen für diese Aussage schaffen“, forderte der Grünen-Innenpolitiker Hans-Christian Ströbele am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. „Sie ist zur Amtshilfe verpflichtet, und wenn sie das nicht tut, dann gibt es den Rechtsweg, den wir dann beschreiten werden.“ Nur in Deutschland könne Snowden alles auf den Tisch legen, was er wisse.

Der NSA-Untersuchungsausschuss hat sich erst am 3. April konstituiert. Er war nach langer kontroverser Debatte eingesetzt worden, nachdem durch die Enthüllungen von Edward Snowden das Ausmaß der Überwachung von Bürgern durch den US-Geheimdienst NSA deutlich geworden waren. Sogar das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist abgehört worden. Verhandlungen über ein Geheimdienstabkommen mit den USA sind bisher weniger erfolgreich verlaufen, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat bei seinem USA-Besuch vor ein paar Wochen auch deutlich gemacht, dass er davon ohnehin wenig hält. mit dpa/rtr

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