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Wer in Entwicklung investiert macht, im besten Falle, vielleicht manchen Ruf nach der Bundeswehr überflüssig.

© Kai-Uwe Heinrich

Streit um Wehretat: Die Welt retten kostet

Kanzlerin Angela Merkel hat daran erinnert, dass jeder Nato-Mitgliedstaat zugesagt hat, zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben. Man sollte sie daran erinnern, dass Deutschland auch zugesagt, 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungshilfe auszugeben. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Michael Schmidt

Die "Friedensdividende" ist Geschichte. Denn: Frieden findet nicht statt. Im Gegenteil. Der Globus brennt. Und die zur Bonsai-Armee geschrumpfte Bundeswehr wurde kaputt gespart. Kein Geld, keine Leute, das Material marode bis zur Untauglichkeit und im Ergebnis eine verunsicherte Truppe, deren Vertrauen rasant dahinschwindet – in ihre Ausrüstung und in die politische Führung.

Das ist gefährlich.
Für die Soldaten; für die Institution Bundeswehr, die als Parlamentsarmee im Auftrag der Politik aktiv wird; und auch, so überhöht das klingen mag, für das Land. Die Armee zum Sparen zu verdonnern und ihr zugleich immer neue Aufgaben aufzuhalsen, kann nicht gut gehen. Mit einer unterfinanzierten und überforderten Bundeswehr ist niemandem gedient. Denn eine solche Truppe kann niemandem dienen. Auch der guten Sache nicht.
Die nach der Wiedervereinigung von 600.000 Mann auf jetzt 180.000 Soldaten verkleinerte Truppe soll aber längst nicht mehr nur das Land verteidigen, und auch das längst nicht mehr nur zu Lande, zu Wasser und in der Luft, sondern auch im Cyberspace. Sie ist mit tausenden Soldaten im Auslandseinsatz, bildet kurdische Kämpfer für den Kampf gegen das Assad-Regime aus, soll den Waffenschmuggel vor der libyschen Küste eindämmen, die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ zurückdrängen und Seite an Seite mit Polen und Balten russischen Expansionsgelüsten an der Nato-Ostflanke entgegentreten. Sie war im Einsatz gegen Ebola, die Seuche, die Westafrika 2014 heimsuchte. Sie hilft bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland. Sie baut, wenn nötig, in Zeiten steigender Flusspegel Deiche. Sie wird immer wieder genannt, wenn es um Hilfe bei Anschlägen im Inneren des Landes geht.

Weniger Geld, mehr Aufgaben - das geht nicht

Die Zahl der Herausforderungen wächst. Und der große Partner im transatlantischen Verteidigungsbündnis, die USA, wenden sich ab und orientieren sich Richtung Pazifik. Die Weltlage lässt das bequeme Prinzip „Bundeswehr nach Kassenlage“ nicht mehr zu. Das ist die Folie, vor der Bundeskanzlerin Angela Merkel dieser Tage an ein altes Nato-Ziel erinnert: Jeder Mitgliedsstaat soll zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Deutschland liegt derzeit bei 1,2. Überraschend an Merkels Einlassung ist nicht der Vorstoß an sich, überraschend sind Zeitpunkt und Nachdruck: Mitten hinein in eine – auch innerkoalitionär heftige – Debatte über den richtigen Umgang mit Wladimir Putins neoimperialem Russland, und mit einem Basta-artigen „So kann es nicht weitergehen“.
Recht hat sie.

Wenn aber richtig ist, dass militärische Gewalt Raum für politische Lösungen schaffen, sie aber nicht ersetzen kann, dann muss man die Kanzlerin an ein anderes Versprechen erinnern, das die Bundesrepublik seit Jahrzehnten zuverlässig nicht zu halten imstande oder willens ist: das Ziel, 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungshilfe auszugeben. Wer zum Beispiel wirksam Fluchtursachen bekämpfen will, muss den Menschen Grund zum Bleiben, also Perspektiven und Hoffnung geben. Das machte, im besten Falle, auch manchen Ruf nach der Bundeswehr überflüssig.

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