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Streit wegen Finanzkrise: Britischer Premier: Deutschland wird scheitern

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat die britischen Konjunkturmaßnahmen als "deprimierend" bezeichnet. Gordon Browns Reaktion auf die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Der britische Premier prophezeit Deutschland ein böses Erwachen.

Berlin/London - Der britische Premierminister Gordon Brown hat Deutschland eine falsche Politik gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise vorgeworfen und der Bundesregierung das Scheitern prognostiziert. Er reagierte damit auf kritische Äußerungen von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im US-Magazin „Newsweek“. „Wichtig ist, dass fast jedes Land auf der Welt das macht, was wir machen“, sagte Brown im Londoner LBC-Radio. Solche Maßnahmen nicht zu ergreifen, bedeute, als Regierung zu scheitern.

Steinbrück stellte in dem Interview in „Newsweek“ Browns Entschluss infrage, die Mehrwertsteuer um 2,5 Punkte auf 15 Prozent zu senken. „Unsere britischen Freunde senken nun ihre Mehrwertsteuer. Wir haben keine Ahnung, wie viel Geschäfte davon an ihre Kunden weitergeben. Kauft man wirklich einen DVD-Spieler, weil er nun 39,10 statt 39,90 Pfund kostet?“, sagte der deutsche Finanzminister. Die Maßnahme werde zudem Großbritanniens Staatsverschuldung auf ein Niveau heben, für deren Abbau „eine ganze Generation“ werde arbeiten müssen.

Deutschland steht in Europa unter Druck, mehr Geld in die Hand zu nehmen, um die Finanzkrise zu meistern. In Londoner Regierungskreisen hieß es, Berlin vertrete eine „Meinung der Minderheit“. Das Bundesfinanzministerium bemühte sich um Entspannung. „Nichts liegt uns ferner“ als Kritik an den „britischen Freunden“, hieß es in Berlin. Steinbrück habe nur mit Blick auf die Debatte um Konjunkturmaßnahmen in Deutschland klargemacht, dass er Mehrwertsteuersenkungen nicht für das richtige Mittel gegen eine weltweite Rezession halte.

CSU, FDP und Grüne gingen hart mit Steinbrück ins Gericht. „Am Bundesfinanzminister ist offenbar die diplomatische Kinderstube vorbeigegangen“, sagte CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte dem Tagesspiegel: „Anstatt die Hände in den Schoß zu legen und den Briten gute Ratschläge zu geben, sollte Finanzminister Steinbrück endlich loslegen und die notwendigen Klimaschutzinvestitionen voranbringen.“ FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von einem Schaden für deutsche Interessen, wenn sich der Finanzminister „zum Oberlehrer Europas“ mache.

Auch in Deutschland ging der Streit über das richtige Krisenmanagement weiter. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) forderte Netto-Steuersenkungen um 25 Milliarden Euro ab 1. Januar 2009. Sein Parteichef Horst Seehofer bekräftigte die Forderung seiner Partei an die CDU, umgehend die Steuern zu senken. SPD-Chef Franz Müntefering lehnte hingegen Steuersenkungen zum jetzigen Zeitpunkt ab, weil sie auf dem Arbeitsmarkt nichts nützten. Müntefering warnte vor Übertreibungen: „Es ist wichtig, dass wir nicht hysterisch werden.“

Nach anderen Forschungsinstituten sagt nun auch das Münchner Ifo-Institut den schlimmsten Wirtschaftseinbruch seit Jahrzehnten voraus. Das Bruttoinlandprodukt werde 2009 um 2,2 Prozent sinken, 2010 noch einmal um 0,2 Prozent. Bundespräsident Horst Köhler rief Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften zu einer konzertierten Aktion auf. Wenn alle zusammenstünden, sei die Lage beherrschbar, sagte Köhler der „Süddeutschen Zeitung“. Beim EU-Gipfel in Brüssel erörterten die Staats- und Regierungschefs unterdessen das von der EU-Kommission vorgeschlagene europäische Konjunkturpaket über 200 Milliarden Euro. lha/mod/bib/has/dpa

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